Rückreise und -blick
Während ich diesen Artikel fertigschreibe, sitze ich im Zug Frankfurt – Stuttgart in Jogginghose und Schlappen. Man könnte meinen ich würde versuchen etwas russische Zugkultur nach Deutschland zu bringen, aber das ganze ist eher aus der Not heraus geboren. Die Hintergründe:
Am Freitagabend sitzen wir gehen 19 Uhr erschöpft in Beijing im Hostel – der Tag war eigentlich alles andere als stressreich, aber wir sind trotzdem alles andere als entspannt.
Die anhaltende Müdigkeit von Beinen und Füßen und die Müße des Nomadenlebens hatte ich in den vergangenen Tagen bereits angedeutet. Am Abend des ersten Tages in Beijing sagte ich zu Arne “inzwischen fühle ich mich echt urlaubsreif!“ – für gewöhnlich hat man so ein Gefühl wohl eher kurz vor dem Urlaub als gegen Ende.
Die letzten zwei Tage in Beijing gab es abends bzw. morgens starken Regen, der unsere Schuhe etwas mitgenommen hat. Genaugenommen sind sie am Donnerstagabend komplett durchnässt worden, am Freitagmorgen waren sie noch nicht wirklich wieder trocken, außerdem kam nochmal eine Ladung Wasser dazu. Nicht dass es noch einen großen Unterschied gemacht hätte.
Das hatte zwei unangenehme Nebeneffekte:
- Die geliebte sibirische Steppe befindet sich nicht mehr auf meinen Schuhen, diese sehen nun geradezu passabel aus!
- Wir haben uns den gesamten Freitag über in nassen Schuhen und Socken bewegt. Von Mao über die Ente bis zum Flughafen.
Am Flughafen suchten wir uns entsprechend schnell Plätze, an dem wir unsere Nasen Socken gegen trockene und die nassen Schuhe gegen Badelatschen tauschen konnten. Die Geruchsbelästigung gegenüber unseren Nebensitzern war sicherlich nicht gering, aber notwendig.
Wer sich jetzt fragt “Warum war die Jogginghose nötig?“: Die war bereits seit ein paar Tagen fester Bestandteil des Plans und einfach nur bequem. Für die deutsche Bahn hätte ich aber im Fall trockener Schuhe auch wieder eine reguläre Hose angezogen. Aber wenn schon Assi, dann richtig!
Um 2:35 am Samstagmorgen ging unser Flug. Fast elf Stunden nach Kiew, dann nochmal knapp drei Stunden nach Frankfurt. Warum haben wir das nochmal gebucht? Ach ja, war am billigsten.
Einige kleinere Belastungen während der Reise habe ich unerwähnt gelassen. So hatte ich mir zwischendurch in Russland noch eine Erkältung eingefangen, diese ist inzwischen aber weitestgehend verschwunden. Ein Hustenproblem ist dafür hinzugekommen, was vermutlich durch die gute Beijinger Luft noch etwas verstärkt wurde (ist aber sicher nichts schlimmeres, vielleicht Tuberkulose oder so). Eventuell liegt dies am fortschreitenden Alter, sicher aber auch am durchgehend recht hohen Reisetempo. Arne und ich waren nach der Heimreise körperlich ziemlich am Ende, was durch den Flug zwar leicht verstärkt wurde, aber keinesfalls ausschlaggebend war.
Da die Frage direkt an mich mehrfach aufkam: Unsere Zugtickets haben etwa 520 Euro gekostet, wobei die chinesischen Tickets verhältnismäßig teuer waren (über 100 Euro für zwei recht kurze Strecken, die genauen Preise habe ich nicht zur Hand). Davon fielen 9 Übernachtungen komplett auf Zugfahrten, wenn ich mich gerade nicht verzählt habe (die verschiedenen Zeitzonen machen das schwierig, und das Gehirn ist im Sparbetrieb. Bei der russischen Eisenbahn sind kurze Strecken im Verhältnis teurer als lange, wer von Moskau bis Wladiwostok durchfahren möchte, kann dies ab etwas über 100 Euro in der dritten, und ab etwa 250 Euro in der zweiten Klasse machen.
Würde ich es nochmal machen? Vermutlich wird es so kommen… Die Standard-Strecke Beijing – Ulanbataar -Moskau wäre sicher eine Möglichkeit, oder Wladiwostok – Irkutsk – Moskau im Winter bei -30 Grad… Die Möglichkeiten sind endlos. Das nächste mal vermutlich von Ost nach West, vielleicht dann auch direkt im Zug nach Stuttgart. Die Rückflüge (Beijing – Kiew – Frankfurt) haben einfach den gewohnten Reisekomfort vermissen lassen. Keine Möglichkeit zu liegen, keine Bewegung, kein tatak-tatak des Waggons…
Deutsche Bahn fahren hat gegenüber der RZD natürlich wiederum Vorteile: Zum Bahnhof gehen, mindestens stündlich fährt ein Zug nach Stuttgart, schnell das Ticket am Automaten kaufen, einsteigen. Der Zug läuft ruhig, und von der Reisegeschwindigkeit muss man gar nicht anfangen, die russischen Bahnen fahren mit vielleicht 50 bis 60 km/h über die Gleise. Die Abteile der zweiten Klasse sind auch größer, obwohl hier wohl in Deutschland deutlich weniger Zeit verbracht wird! Dafür geht ein bisschen die Romantik abhanden – die im ICE verbrachten Kilometer werden natürlich auch nicht gezählt!
Anschließend kann ich sagen: Körperlich bin ich zwar so ziemlich am Ende, aber das mache ich nochmal! Damit verabschiede ich mich für’s erste wieder aus dem Bloggerleben, freue mich auf mein weiches Bett (damit haben die Chinesen es nicht so) und die eigene heiße Dusche, und sage: Bis zur nächsten Reise!