Beijing: Auf der Mauer, auf der Lauer
To be honest with you, it’s not the „great“ wall, it’s an „all right“ wall. It’s the All Right Wall of China.
– Karl Pilkington
Am Dienstag, den 5.10., mussten wir morgens mal wieder unangenehm früh aufstehen, und zwar gegen 6 Uhr. Bei den vielen Zeitverschiebungen der letzten Wochen bin ich nicht so wirklich sicher in welchem Biorythmus unsere Körper gerade laufen, sicher ist: das war deutlich zu früh. Wir hatten uns wie angekündigt gegen den Ausflug mit der organisierten Tour entschieden – 3 verschiedene Abschnitte der Mauer, restauriert und nicht restauriert, inklusive Mittagessen sieht zwar auf den ersten Blick nett aus, die Fahrzeiten (und ein vermutlich viel zu kleines Mittagessen) mit eingerechnet dürfte so eine Tour aber vermutlich ca. 15 Minuten je Mauerabschnitt lassen – und genau dann auch noch mit mindestens einem Bus voll Touristen.
Also, früh morgens aufgebrochen, auf dem Weg schnell ein paar chinesische Klöße gefrühstückt, durch die Metro, zum Expressbus Richtung irgendwo. Laut unseren Informationen sollte dieser in etwa eine Stunde bis zu unserem Ziel benötigen. Gedauert hat es gut zwei Stunden, die (eigentlich an dieser Stelle auftretende) Angst den Stopp verpasst zu haben, blieb aber aus! Grund: Wir standen primär auf der Autobahn im Stau. Ausgelöst wurde dieser wohl von einer Mautstation, danach war freie Fahrt…
Auf den Stopps nach der Autobahn übten wir das Lesen der chinesischen Zeichen (“dieses eine Zeichen das eigentlich aus zwei besteht, und danach das Zelt mit Strich durch. Danach noch ein drittes, aber das ist egal!“), um frühzeitig zu erkennen wo wir raus mussten.
An allen Haltestellen war es hinten im Bus extrem unruhig, es wurde geschrien und gedrückt. Aussteigen in einem normalen Reisebus, in dem nicht allzu viele Leute standen, sollte eigentlich nicht so schwierig sein.
Ein paar Stopps vor unserem Ziel entdeckten wir den Grund für den Aufruhr: An den hinteren Türen versuchten die draußen wartenden Taxifahrer, die Leute im Bus davon zu überzeugen doch mit ihnen zu fahren. Endlich mal ein bisschen Einsatz, muss man da sagen – aus Asien kennen wir Taxifahrer eigentlich sehr viel aufdringlicher, als wir es bisher erlebt haben!
Unseren Stopp erkannten wir tatsächlich dann vorher auf der Anzeigetafel – wie gestern schon bemerkt, unser chinesisch ist schon ziemlich gut! Direkt nach dem Aussteigen belagerten uns natürlich schon die (nicht lizensierten) Taxifahrer. Wir mussten zwar auch von der Haltestelle zur Mauer noch ein Stück zurückgehen, aber nicht mit den unlizensierten Fahrern. Diese sind in der Regel teurer und versuchen auch gern mal blöde Tricks, um nach der Ankunft noch mehr zu kassieren. Entsprechend sind wir zu einem echten Taxi gegangen, das Ziel war implizit klar – einer der Schlepper hing sich aber immer wieder ins Fenster, ob wir nicht doch mit ihm fahren wollen – selbst nachdem das Taxi schon losgefahren war und in die Hauptstraße einbiegen wollte, versuchte er noch uns vom Aussteigen zu überzeugen! Das ist endlich der erwartete (wenn natürlich auch vollkommen nutzlose) Einsatz, den wir erwartet hatten!
Nach Ankunft wollte unsere Fahrerin uns dann noch beim Tickets kaufen helfen – sie führte uns zum großen Ticketgebäude (soweit gut) und ins innere zum Ticketschalter für Tourgruppenleiter (soweit… Weniger hilfreich). Dort stand sie ein wenig herum, wir fragten uns: Möchte sie auch nach oben? Wir deuteten ihr dann an, dass wir ums Gebäude herum, zum Einzelticketschalter gingen. Sie sprintete darauf noch zum Informationsstand, und folgte uns dann. Hier versuchte sie auch wieder uns bei der Auswahl zu helfen, war insgesamt aber wieder planloser als wir.
Hier sei anzumerken, dass viele Chinesen scheinbar viel irritierter über den Ablauf an einigen Stellen hier sind als wir! Das ist uns bereits beim Ticketkauf in der Metro aufgefallen – Zielstation nennen, Preis bezahlen, Ticket bekommen. Nicht für die Chinesen vor uns – dasselbe am Geldautomaten, bei dem wir auch entsprechend lange warten mussten, weil die drei vor uns diskutierten wie man wohl an sein Geld kommt. Wir sind schon echte Profis!
Tickets gab es dann in drei Ausführungen: Nur die Mauer, Seilbahn zur Mauer, oder Sessellift hoch und Bobbahn runter – erwähnte ich dass es hier ein wenig touristisch ist? Zu Beginn der Reise hätten wir uns vielleicht noch für einen Fußmarsch erwärmen können, aber inzwischen waren Beine und Füße kaputt genug. Bobbahn klingt zwar nett, aber bei der hohen Besucherdichte geht’s vermutlich bei Schrittgeschwindigkeit ins Tal. Die Wahl fiel also auf die Seilbahn. Für den Shuttlebus anstehen, Bus fahren. Für den Einlass zur Mauer anstehen, für die Seilbahn anstehen, fahren – und nach mindestens einer Stunde sind wir endlich am Tagesziel angelangt!
Das restaurierte Stück an dieser Stelle ist etwa 3km lang. Bezahlt wurde das ganze im Jahr 1989 von der Firma Henkel – mehr Hinweistafeln oder ähnliches gab es nicht. Also keine Infos wann dieses Stück erbaut wurde, von wem genau usw. Wir wissen nur: Der Abschnitt stammt aus der Ming-Dynastie. Und: Der so oft zitierte Mythos dass die Mauer das einzig von Menschen erschaffte Bauwerk sei, das aus dem Weltall sichtbar sei, ist eben das: Ein Mythos. Die in China lebende Russin vor ein paar Wochen im Zug hatte und noch begeistert genau davon erzählt – dann wäre wohl auch die A7 sichtbar, die ist deutlich breiter und immerhin in einem leicht besseren Zustand.
Auf einer Mauer gibt es zwei Richtungen – links und rechts. Da rechts irgendwo der Sessellift lauerte, entschieden wir uns für Links. Im Hintergrund des obigen Fotos kann man es schon erkennen: in die Nebelschicht hinein wird es ganz schön steil…
Durch diverse Türme hindurch und an den Menschen vorbei ging es also weiter nach links und nach einiger Zeit die Stufen hinauf!
An meinem leicht gequälten Lächeln ist zu erkennen, dass diese Treppe schon nicht der leichteste Spaziergang war!
Nach einem endlosen Aufstieg kamen wir an den offiziellen Endpunkt der Mauer hier! Ein primär ziemlich voller Turm, die begeistertsten der Besucher konnten hier Goldmedaillen für den erfolgreichen “Aufstieg“ kaufen – für Kinder wirklich eine schöne Erinnerung, bei Erwachsenen wirkt dies nach einem steileren Spaziergang eher etwas albern. Das Ganze sollte uns aber natürlich nicht am Weiterkommen hindern! Nach ein bisschen klettern standen wir auf einem etwas wilderen und leereren Teil der Mauer – nach ein paar Metern saß dort dann auch schon der erste Getränkeverkäufer, es war inzwischen Nachmittag… Die meisten Leser wissen vermutlich schon wohin das führte!
Zwischen Verkäufer und Bierselfie lag übrigens noch eine weitere nicht enden wollende Treppe, die es erst noch zu erklimmen galt! Hier war die Mauer viel angenehm leerer, so dass wir entspannt etwas Zeit verbringen und die Aussicht genießen konnten, wenn gerade eine Nebelschwade vorbeigezogen war!
Den Weg noch weiter hinauf haben wir dann an dieser Stelle nicht mehr angetreten – denn nach dem sichtbaren Hügel ging es weitere Berge hinauf:
In der Vergrößerung sollten die Mauerzinnen auf dem rechten Gebirgskamm gut erkennbar sein!
Hier machten wir uns auch ein paar Gedanken um die strategische Bedeutung der Mauer selbst – Die beidseitig der Mauer angebrachten Zinnen machen kritisch betrachtet nicht wirklich Sinn, da vermutlich nicht von einem Angriff der Mongolen aus dem chinesischen Hinterland gerechnet wurde… Diese stammen vermutlich eher aus der Überarbeitung 1989. Und weshalb überhaupt davon ausgegangen wurde, dass die Mongolen gerade über dieses Gebirge einfallen würden, ist auch nicht ganz klar:
Zur Info: Die Große Mauer ist allgemein nicht durchgängig, sondern nutzt an vielen Stellen Berge und Flüsse als natürliche Mauern!
Irgendwann war es dann schon einigermaßen spät, wir entschieden uns den Rückweg anzutreten. Dabei fiel uns dann erst auf, dass einige Treppen die Türme hinauf wirklich eher Steinleitern waren, was den Abstieg nochmal deutlich langsamer gestaltete…
Der Rückweg selbst war unspektakulär, wenn auch nicht ganz unanstrengend – bei unserer Rückkehr nach Beijing war es bereits spät am Abend, so dass keine weiteren Sightseeing-Objekte mehr anstanden.
Zusammenfassend kann über die Mauer gesagt werden, dass die meisten Abschnitte zwar extrem touristisch sind, man mit etwas laufen aber schnell auf ruhigere Abschnitte gelangen kann! Beeindruckend ist sie gewissermaßen auf jeden Fall, auch wenn leider nicht ganz klar ist wie sehr die restaurierte Variante noch dem Original entspricht – durchaus eher eine “Great Wall“ als eine “All Right Wall!“
Diesen Artikel habe ich am Freitag Vormittag verfasst, dem Abreisetag – mindestens ein Artikel zu Beijing wird noch folgen, diesen werde ich vermutlich aber aus Deutschland verfassen müssen – ob wir es noch in die verbotene Stadt oder zum Mao schaffen, bleibt hier als Cliffhanger daher vorerst unbekannt!