Kazan – Tobolsk
Wie erwartet haben wir die Fahrt von Kazan nach Tobolsk ganz gut überstanden. Für die ersten 2,5 Stunden hatten wir das Abteil sogar komplett für uns, was uns gewissermaßen in die erste Klasse versetzte. Gewissermaßen aber auch nicht – der höheren Nummer entsprechend ist in diesem Zug tatsächlich alles ein bisschen älter und angeranzter nostalgischer.
Im Zug ist sonst alles wie erwartet – spätestens 5 Minuten nach Abfahrt sind eigentlich alle Reisenden in Jogginghose und Schlappen unterwegs. Die Einheimischen hängen ihre Kleidung sogar noch sehr akkurat auf (wir versuchen uns anzupassen, und falten zumindest).
Touristen scheinen auf dieser Route nicht unbedingt ganz üblich zu sein, unsere Provodniza (Schaffnerin) findet es scheinbar unglaublich witzig, dass wir fast kein russisch sprechen. Eventuell muss ich meinen Standardsatz “nje pa-russki“ (entspricht etwa “nix Deutsch“) noch grammatikalisch etwas aufbessern.
Wir konnten dann entsprechend unser Feierabendbier im leeren Abteil genießen:
Die sanitären Einrichtungen sind zumindest nicht schlimmer als im letzten Zug, aber auch hier gilt “bloß nichts unnötig berühren und BLOSS NICHTS FALLENLASSEN!“.
Nach 2,5 Stunden bekamen wir dann unseren ersten Mitreisenden. Während der Nacht erstellte ich dann meine erste persönliche Statistik: 3 von 3 Russen schnarchen… Und dieser auf dem Level meines Bruders. Ab halb zwei ging es dann aber, und wir fanden noch etwas Schlaf. Gegen 6 kommt ein weiter Reisender hinzu.
Das Leben im Zug ist angenehm ruhig, wenn auch direkt nach dem Aufstehen der Gedanke “in 12 Stunden müssen wir schon wieder raus“ etwas Hektik aufkommen lässt. Alle paar Stunden gibt es mal einen Halt für 30 bis 45 Minuten, entweder in größeren Städten, oder zum Beispiel zum Loktausch.
Die russischen Babuschkas, die ihre Waren anbieten, bleiben zwar noch aus, aber es gibt kleine Läden zum Frühstück kaufen. Für uns kaufe ich vier frittierte Teigtaschen, gefüllt mit diversen Dingen (Kartoffeln, Kohl, Ei, Reis… Für eine genaue Bestellung was ich haben möchte reichen meine Sprachkenntnisse nicht). Für die zwei Männer hinter mir gibt’s dagegen zwei Dosen Baltica 7 (Bier, mit Wodka angereichert auf 7 Prozent Alkohol). Nastrowje!
Unser Schnarcher ist ein netter Kerl, und spricht ein paar Wörter Deutsch, meinen Versuchen auf russisch bis 10 zu zählen (bis zur 5 kann ich’s immerhin schon) zählt er auf Deutsch bis 10. Außerdem kann er sagen “Ich habe heute Klassendienst.“ Unsere Provodniza begrüßt mich mit “Guten Tag“, ich erwidere “Dobrij Djen!“ Für tiefergehende Gespräche als über die Haltepunkte der eigenen Route reicht es aber nicht.
Den Ural passieren wir eher unbemerkt (der Harz sieht mehr nach Gebirge aus), und das westsibirische Flachland sieht aus wie eine Bahnfahrt zwischen Hannover und Hamburg – nur etwas länger und etwas weniger dicht besiedelt.
Ansonsten besteht das Leben im Zug hauptsächlich aus Tee trinken (gut!), essen (hurra!) und schlafen (yippie!). Zwischen den anstrengenden Rumlauftagen tut so ein Erholungstag ziemlich gut! Von jetzt an dürfen die Zugnummern dann auch wieder kleiner werden. Denn viel höhere Nummern gibt es im Fernverkehr soweit ich weiß auch gar nicht mehr.