Pavia – Milano. Finito.
Am Donnerstag, den 18. Mai, trat ich meine Himmelfahrtstour an: die finale Fahrt nach Mailand. Ich konnte mir am Morgen sogar einen Umweg ohne besonderen Sinn einplanen, da mir eine Tagesstrecke von 34km doch etwas zu schwach gewesen wären. Zur Startzeit gegen 08:10 (auch an diese dekadenten Uhrzeit ist der Schlendrian eindeutig zu erkennen) war es nicht gerade sonnig, aber trocken. Nach einer Stunde zog ein Schauer durch, den ich dann eben 45 Minuten in einem Cafe aussaß – an einem „richtigen“ Tag wäre so etwas natürlich undenkbar. Aber es war ja eine lockere Tour zum Vatertag. Hier fragten mich auch ein paar ältere Italiener, woher ich kam und wohin ich fuhr. „Pavia – Milano“ hat sie noch nicht so beeindruckt, die Worte „Tuto: Bari – Milano“ dafür schon eher. Ja, ich kann in Doppelpunkten und Gedankenstrichen sprechen. Sogar in Sprachen, die ich gar nicht spreche.
Gegen halb zehn musste ich den Ticino überqueren, und alleine für diese Brücke hatte sich der Umweg dann sogar gelohnt.
Über die Rampe aus Metall muss man natürlich hinwegblicken. Dahinter präsentiert sich eine Reihe aus Booten, die an Pfählen festgebunden sind und die die Holzkonstruktion selbst tragen. Ein paar Latten fehlten zwischendurch, und es knarzte und knackte (und polterte, aber das war eventuell eher ich) ziemlich, und es gab theoretisch auch ein Fahrräder-verboten-Schild, aber unabhängig davon kann ich dieser Brücke locker 8,7/10 Punkten geben!
Gegen 11 Uhr erreichte ich dann einen der Kanäle, die nach Mailand führen. An diesem sollte auch die restliche Fahrt bis in die Stadt entlangführen, maximal mit Seitenwechsel verbunden.
Die Einfahrt in die Stadt selbst war damit deutlich angenehmer als in die andere Großstadt meiner Tour, Rom. Das änderte sich ein wenig, als der Kanalradweg endete.
Der Mailänder Verkehr war deutlich weniger angenehm und ein klein wenig hektischer als der Verkehr in Rom. Ich hatte ein klein wenig das Gefühl, dass sowohl die motorisierten Fahrzeuge als auch die anderen Fahrradfahrer das Primärziel verfolgten, mich möglichst umzubringen. Haben sie aber nicht geschafft! Okay, einmal war es ein klein wenig knapp. Da hatte ich auch die Verkehrsführung nicht zu 100% korrekt gedeutet. Irgendwann kurz vor 13 Uhr hatte ich dann die von mir gewählte Zielmarke erreicht: Natürlich den Mailänder Dom!
Das Ankunftsselfie ist das neue Bierselfie. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt sogar noch ein halbwegs kühles Bier in der Packtasche. Für ein entspanntes Bier waren es mir dann aber doch einfach viel zu viele Menschen. Vielleicht besser auf diesem Bild zu erkennen:
Ein Pärchen fragte mich auch, ob ich ein Foto von ihnen machen könnte – in der Mitte des Platzes, wo es keinen Platz gab um mein gutes Rad abzustellen. Ich wies freundlich darauf hin, dass das ein bisschen schwierig sei… Das Rad mit den Packtaschen ist, wenn nicht in Fahrt, auch etwas schwieriger in der Handhabung. Wenn man es zu weit entfernt vom Schwerpunkt entfernt hält, fällt es ganz gerne um. Die Frau bot an, das Rad währenddessen zu halten – wusste ich es doch, sie wollte in Wirklichkeit auch nur so tun, als sei sie einmal durch Italien geradelt. Mein leicht irritiertes „Uh… So you want a picture with my bike in it?“ wird mit einem „Oh yeah, that’s okay!“ beantwortet. Ich schaue irritiert, der Mann versteht entweder dass mir das etwas zu absurd ist, oder denkt sich „Der Lump will einfach nur kein Foto von uns machen, der elendige!“, und sah ein dass sie vielleicht jemand anderes fragen. Es war auch nicht unbedingt so, dass keine anderen Menschen anwesend gewesen wären.
Ansonsten noch anwesend: Tauben. Weil ein Mann herumlief und sie fütterte. Argh!
Nach ein paar Minuten erkannte ich: Der Mann war Fotograf. Und es gibt Touristen die begeistert sind, ein Foto inmitten vor dem Dom in einem Meer von Tauben (Argh!!) oder gleich mit auf ihnen sitzenden Tauben (ARGH!!!!) zu machen. Das war genug Brechreiz für diesen Tag, ich stürzte mich also wieder in den Verkehr, und war eine halbe Stunde später am tatsächlichen Ziel etwas außerhalb der Innenstadt angekommen, ohne weitere Nachtoderfahrungen.
Wer ganz genau hinsieht, erkennt sogar den Umweg. In der Wohnung angekommen bemerkte ich dann, dass ich wohl meine Hygienetasche in Pavia vergessen hatte. Upsi! Eine grobe Evaluierung der Kosten von Tasche, Vitamin-/Eisentabletten und Rasierhobel (ich bin mir nicht du ganz sicher, warum der eigentlich dabei ist) ergab, dass ich die 8 Euro für die Zugfahrt nach Pavia wohl investieren sollte. Seufz.
Freitag, der 19. Mai, war mein Sicherheitstag – damit ich, sollte ich den Plan nicht halten können, nicht zwingend auf den Zug umsteigen müsste. Ich hatte mir für diesen Tag andererseits aber auch noch freigehalten, einen Tagesausflug mit dem Rad, aber ohne Gepäck zu machen. Die Schweizer Grenze ist nicht weit entfernt von Mailand – aber der Regen war es auch nicht. Am Freitagmorgen regnete es bereits, der Plan war damit hinfällig und ich konnte keine weiteren Kilometer mehr sammeln. Meine Beine waren aber vielleicht auch ganz dankbar dafür, die fühlten sich nämlich bereits am Vortag stark wie ein leckerer Pudding an. So schaute ich mir an diesem Tag noch ein wenig Mailand an, wenn auch zu großen Teilen aus Cafés heraus.
Zwischendurch hörte ich einmal lautstarkes Brüllen – und schaute gerade rechtzeitig genug auf, um zu sehen wie ein Fahrrad-Essens-Lieferant jemanden mit einem Fahrrad bewarf. Das hat auch bei den umstehenden Italienern für einen Moment der Verwirrung gesorgt. Diesen nutzte der Lieferfahrer auch umgehend, um unter Flüchen abzufahren. Der beworfene fluchte ebenso, und fuhr auf dem scheinbar nicht allzu stark beschädigten Fahrrad ebenso davon. Ob es tatsächlich seines war, oder er das als Schmerzensgeldzahlung ansah, war mir nicht so ganz klar. Ein noch spannenderes Ereignis gab es an diesem Tag natürlich nicht.
Ganz zum Abschluss präsentiere ich natürlich das, worauf alle Leser warten: Die Statistiken! Den Fahrradweitwurf können natürlich nur die Zahlen noch toppen!
(An dieser Stelle sollte eine interaktive Karte der gesamten Fahrt stehen – das klappt noch nicht. Ich werde noch versuchen das in den kommenden Tagen zu integrieren.)
Falls das nicht so wie gewünscht klappen sollte, die kombinierte Datei der gesamten Tour habe ich auch noch als Screenshot zusammengefasst:
1429km (am letzten Tag hätte ich schon gerne die 1500km geknackt) wurden zurückgelegt, und mehr als ein Everest wurde erklettert. Da bin ich von mir selbst immerhin ein klein bisschen beeindruckt, dass meine Beine und vor allem meine Knie das so mitgemacht haben. Die Toskana-Tour vor einigen Jahren musste ich am Ende bereits mit Knieschmerzen fahren – das biologische Material machte auf dieser Tour aber zum Glück überhaupt keine Probleme.
Zum Wetter: Der ein oder andere hat eventuell aus den Einträgen hier gefolgert, dass das Wetter nicht immer ganz optimal war. An 16 Tagen bin ich Fahrrad gefahren, 7 davon hat es überwiegend geregnet. An 5 Tagen hatte ich Sonnenschein, die restlichen 4 war es überwiegend (aber nicht durchgängig) trocken. Von meinem 4 Pausentagen hat es an 2 Tagen geregnet, 2 war es sonnig. Also insgesamt sehr durchwachsen und deutlich mehr Regen, als ich erwartet hatte. Meine Erwartungshaltung lief da eher Richtung „ich muss dann rechtzeitig merken bevor die Sonnencreme alle ist!“
War es trotzdem schön? Unglaublich! Die letzten Tage Fahrt durch das Flachland waren ein wenig eintönig, wenn auch entspannter zu fahren. Aber vor Parma war ich eigentlich nur in den Bergen oder am Meer unterwegs, was bei der italienischen Geographie wenig überraschend sein sollte. Die Berge waren dabei zwar anstrengend und es waren einige schwierige Passagen dabei, aber die Fahrten selbst haben sich unglaublich gelohnt. Auch die Städte haben teilweise überrascht. Am wenigsten gefallen hat mir Mailand, für Bari hatte ich nicht viel Zeit zum Erkunden. Neben den erwarteten netten Orten (Siena, Teile Roms, San Gimignano) waren auch echte Überraschungen dabei: Viterbo, Monteleone, und vor allem Radicofani waren wirkliche Überraschungen, die ich so vorher auch auf keiner Highlight-Karte Italiens gesehen hatte.
Außerdem hat meine Koffein-Abhängigkeit neue Höhen erreicht, befürchte ich. Und auch meinen Kalorienbedarf werde ich wohl wieder reduzieren müssen. Mein Fahrrad braucht außerdem eine ordentliche Reinigung, ich sollte herausfinden warum die letzte Woche über die Vorderradbremse so unmenschlich quietscht, dass mir Vollbremsungen in bewohnten Gebieten schon etwas unangenehm waren, und ich muss die Laufräder ein bisschen neu ausrichten. Aber auch hier gab es keine echten Ausfälle zu berichten.
Insgesamt, wenn man ein bisschen bescheuert ist, eine sehr empfehlenswerte Reise!