Aulla – Parma
Sonntag, 14. Mai: So im Nachhinein wieder gar kein so erholsamer Tag. Vorausgesagt war den ganzen Tag Regen – um sieben Uhr fiel zumindest zeitweise kein Wasser vom Himmel, was für einen Start ausreichen sollte.
Es ging bergauf, Richtung Cisa-Pass. Die erste Stunde oder so ist die Steigung noch sehr gemäßigt. Es gibt auch noch einige Siedlungen und etwas Aussicht.
Dafür hat – wie das nunmal so ist – nach der Abfahrt dann doch schnell der Regen eingesetzt. Und so schnell wollte der auch gar nicht wieder aufhören. Gegen 9 begann dann der Kampfteil. Es wurde steiler, es gab wenig Aussicht, der Regen wurde stärker. Die Aussicht war überwiegend sehr eingeschränkt…
Dabei keine Möglichkeiten zum irgendwo Unterstellen. An eine richtige Pause (mit Absteigen und vielleicht hinsetzen) war so schnell nicht zu denken. Gegen halb elf dann die Erlösung:
Irgendeine verlassene Scheune mit intaktem Dach und sogar einer alten Colakiste zum Hinsetzen! Ein Träumchen! Nachdem es weniger stark regnete, ging es weiter nach hinauf. Und nach einer weiteren Stunde, gegen 11:30, war ich endlich am Pass angekommen!
1041 Meter Höhe. Der höchste Punkt meiner Reise, da bin ich mir mittlerweile sicher. An meinem Gesichtsausdruck erkennt man es (nicht): entsprechend kalt war es. Hier befindet sich außerdem auch die Grenze zwischen der Toskana und Emilia-Romagna, Region Nummer 5! Immerhin gab es ein Cafe zum kurzen Aufwärmen.
In Lucca hatte ich zufällig in einer meiner Packtaschen auf der Suche nach einer fehlenden Socke meine langen Handschuhe entdeckt und gedacht „Die hättest du wohl nicht mitbringen müssen!“ – selten lag ich so falsch. Die etwa 10 Grad fühlten sich nicht so kalt an, solange es bergauf ging, aber bergab sehen die Dinge nochmal ganz anders aus. Bzw. genaugenommen sah gar nichts aus.
Andere Radfahrer hatte ich auf dieser Fahrt gar nicht gesehen. Auf dieser breiteren Passstraße (bergauf führte mich eine kleinere Nebenstraße) kamen mir zumindest ein paar Motorradfahrer entgegen – das Schicksal der nassen Kälte teilend, führte dies sogar zu gegenseitigem Grüßen, wohlwissend dass der jeweils andere auch damit kämpft, dass die Feuchtigkeit überall reinzieht. Mehrere Jacken übereinander tragend ging es mit der Kälte (dadurch wurden aber z.B. die Füße auch nicht wieder trocken).
Kurz darauf erreichte ich Berceto, nach etwa 45km Fahrt.
In Berceto wollte ich eigentlich übernachten, es gab nur ein kleines Problem: Waren während meiner Planungsphase noch viele Hotels oder Wohnungen frei, waren es am Vorabend gestern keine mehr. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich die Planung, wie ich verfahren wollte, noch an Zukunfts-Jan delegieren, diese Option hatte ich jetzt nicht mehr. Die Möglichkeiten waren
1. Von der geplanten Strecke irgendwo seitlich abweichen, was mit einem Umweg insgesamt verbunden war, und teilweise mit weiterem Bergauffahren,
2. Ein Stück (~30km) weiter entlang der ursprünglich geplanten Strecke fahren und morgen eine sehr kurze Tour fahren, oder
3. Deutlich weiterfahren als geplant, und Parma ansteuern. Abseits der geplanten Strecke gelegen, und ursprünglich überhaupt nicht eingeplant.
Ich entschloss mich schweren Herzens für Option 3. Auch wenn die Entscheidung, als im Display meines GPS „Rest: 52km“ stand, nicht einfach war. Vor allem da es weiterhin regnete. Als Deal mit mir selbst, da ich dem Zeitplan bereits einen Tag voraus bin, und so einen weiteren Tag gewinnen würde, beschloss ich in Parma einfach zwei Tage zu übernachten. Äußerst dekadent, nach zwei Tagen Fahrt schon wieder einen Pausetag einzulegen, aber die Option morgens nicht in den Regen aufbrechen zu müssen, war dann einfach zu verlockend für mich.
Also ging es ohne weitere große Pausen, da ich wirklich ankommen wollte, weiter nach Parma. Nach über 8 Stunden Gesamtzeit (davon über 6 Stunden reine Fahrzeit) wieder einmal ein sehr langer (und nasser, sollte ich das noch nicht erwähnt haben) Tag. Die Strecke hat es nicht so sehr in sich – der Blick auf das Höhenprofil lohnt sich aber dafür wieder einmal!
Das für zwei Nächte gemietete Apartment habe ich nach Ankunft tatsächlich nicht mehr verlassen – nach der erlösenden Dusche und dem obligatorischen Waschen der Radhose war gerade noch genug Energie vorhanden, um die in der Packtasche befindlichen Nudeln und die Soße zu kochen. Dabei konnte ich aber eine uralte Fragen klären: Ja, ich kann eine Bud-Spencer-Portion Nudeln (eine 500 Gramm-Packung plus Soße) essen – und das fiel mir unerwartet leicht.
Und um hier keinen versehentlichen Cliffhänger zu produzieren: Die in Lucca vermisste Socke ist nicht wieder aufgetaucht, meine Trauer ist grenzenlos!