We’re pirates and we are free!
Update 25.10.2020: Die Videos konnte ich jetzt auch korrekt hochladen, aus Griechenland ging das vorher leider nicht richtig.
Vielleicht sollte ich damit beginnen, ein Logbuch zu schreiben – auf See verschwimmen die Grenzen der Tage ineinander, so dass es schwierig wird, bestimmte Ereignisse oder Erfahrungen genau zuzuordnen.
Ich vermute, dass dies an der gesunden Seeluft und dem arbeitsreichen Alltag an Bord liegt. Böse Zungen hingegen würden vermutlich auch eine Teilschuld bei des Skippers eigendestillierten Piratenrum suchen…
Ich versuche in jedem Fall, alles möglichst korrekt wiederzugeben!
Unser Segelboot: Gebucht hatten wir die Hydra, eine 44 Fuß lange Bavaria-Yacht mit 4 Kabinen für 8 Segler mit einem doch recht piratigen Namen. Erhalten haben wir ein kostenloses Upgrade auf eine 49 Fuß Bavaria-Yacht mit 5 Kabinen für 10 Segler – leider mit dem eher unpiratigen Namen Iolkos:
Statt 8 Seglern besteht unsere Crew auch nur noch aus 6 Piraten. Aus Datenschutzgründen usw. verzichte ich hier mal auf eine Fotovorstellung der Crewmitglieder. Wir haben dort neben Skipper Tobi und Coskipper Jan (nautische Erfahrung im Bereich Frei- und Hallenbad) André, Arne, Ben und Julia. Entsprechend hatten wir viel Platz auf der großen Yacht, die allerdings auch schon die ein oder andere Macke hatte… Das passt ja gewissermaßen auch zur Besatzung, aber die Bilgepumpe (die ist dafür da, um Wasser aus dem Boot zu pumpen) zum Beispiel sollte ja eigentlich trotzdem funktionieren…
Eigentlich hatten wir gehofft, am Samstag nach der Übergabe möglichst schnell lossegeln zu können… Julia und ich waren einkaufen (nur 2 Personen im Taxi erlaubt), als wir damit irgendwann fertig waren (drei Einkaufswagen plus Getränke…), war die Übergabe dann aber leider doch noch nicht abgeschlossen – statt 13 Uhr waren wir schließlich gegen 17 Uhr damit durch. Bens Flug kam erst am Samstagabend an, wir hatten entsprechend gehofft, einfach schon losfahren zu können in die nächstgelegene Bucht, um dort zu ankern und ihn samt Gepäck mit dem Dinghi aufnehmen zu können – einfach nur weil es verdammt witzig gewesen wäre – daraus wurde dann aber leider nichts, so konnten wir dann doch erst am Sonntag auslaufen.
Am ersten Segeltag war dann natürlich zunächst so gar kein Wind, so dass wir uns nach ein paar Stunden Motor erst einmal eine Badepause gönnten… Und dann?
Plötzlich lohnt es sich, die Laken in den Wind zu hängen, und wir bemerken: das Boot ist zwar nicht in der besten Verfassung, segelt sich aber tatsächlich richtig gut! Wirklich ungewohnt ist dann nur, dass kein Verklicker am Mast vorhanden war! Für alle Landratten: Der Verklicker ist ein für gewöhnlich an der Mastspitze angebrachter Pfeil, der sich in den Wind dreht, und so dem Ruderhänger die Richtung des (scheinbaren) Windes verklickern (ja, wirklich). Der Wind ist beim Segeln durchaus nicht ohne Bedeutung, also muss man das irgendwie anders feststellen. Dazu unten mehr.
Nach ein paar Stunden Segeln suchten wir uns dann eine kleine Bucht vor der Insel Agistri, hier begegnete mir dann auch ein für mich neues Manöver: Das ankern mit Landleinen. Bei zu steil abfallenden Ufer hält der Anker nur in einer Richtung, und würde entsprechend abrutschen, wenn sie Strömung das Boot vom Land weg zieht. Also werden achtern zwei Landleinen angebracht, so dass das Boot schön fixiert ist. Die Aufgabe fiel André und mir zu, während der Rest der Crew das Ankermanöver durchführte.
Das klappte soweit auch Recht gut, aufgrund der plötzlich vorhandenen Landleinenerfahrung blieben wir dann auch die Landleinencrew für den Rest des Törns (mit einer kleinen Ausnahme). Fest vertaut können dann auch Ouzo oder das ein oder andere Bier in der fast leeren Bucht genossen werden…
Zwischendurch wird natürlich nochmal gebadet, ebenso wie am nächsten Morgen vor der Weiterfahrt… Hart ist das Seglerleben…
Der grobe Ablauf ist dabei von Tag zu Tag nicht so unähnlich. Am Montag segeln wir also aus unserer Bucht Richtung Poros, baden dort, durchfahren den hübschen Hafen
und suchen uns eine geschützte Bucht zum Übernachten. Starkwind- und Gewitterwarnung entsprechend waren wir dort einigermaßen vor den zu erwartenden Winden geschützt.
Zum Ausbringen der Landleinen lassen wir das Dingi noch recht weit vom Ufer entfernt zu Wasser, Tobi fragt noch „Sollen wir euch noch ein Stück mitziehen?“, André und ich verneinen natürlich. Nachdem wir es geschafft haben, uns mit den Paddeln zu organisieren, ist das Boot plötzlich doch schon ein bisschen entfernt…
„Was machen wir wenn wir abtreiben?“ „Hmmm zum Geisterdingi werden?“
Mit leichter Todesangst erreichten wir das Ufer und fassen den Entschluss, zukünftig doch den Außenborder mitzunehmen. Die erste Leine wurde ohne große Probleme angebracht, die zweite… war zu kurz. Zweiter Versuch, keine Chance. Dritter Versuch, vom Boot wurde eine zusätzliche Leine geworfen, keine Chance. Vierter Versuch, vom Boot wurde eine zusätzliche Leine geworfen, die an einen Fender befestigt wurde. Das klappt, aber ich bin klatschnass. Fachmännisch habe ich beide Leinen miteinander verknotet, das Boot war soweit sturmfest. Ein ungutes Gefühl blieb. Die Bucht hatten wir für uns alleine, alle anderen Segler hatten sich vermutlich irgendwo im Hafen verkrochen.
Anlander (Ouzo), Abendessen, vielleicht noch ein Bier, schlafen – oder auch nicht: irgendwann höre ich Tobi aus dem Heck: „Jan, komm raus!“ Ich antworte „Muss ich eine Hose anziehen?“ Tobi bejaht, ich weiß, es ist ernst. Eine Landleine hatte sich gelöst und trieb nun haltlos im Wasser… Also im der Dunkelheit mit Taschenlampe ins Dingi, Wind und Wetter trotzen. Das ging irgendwie gut, erholsam war der Rest der Nacht natürlich nicht mehr. Am nächsten Morgen stellten wir das Problem fest: unser Boot muss beim ersten Mal den riesigen Felsen ins Wasser gezogen haben. Das ist dann in der Nacht auch ein weiteres Mal passiert, dabei wurde die Leine aber eingeklemmt. So ließen wir ein bis zwei Meter Leine am Land zurück…
Mittwoch: Perfektes Segelwetter!
Teilweise ein bisschen böiger Wind mit etwas Welle – am Steuer bringe ich genug Krängung ins Boot, dass Wasser aufs Deck schwappt… Yeah!
Das Segelziel lautete Dokos, eine Insel westlich von Hydra. André und ich nehmen im Dingi den Außenborder mit. Wider Erwarten wird das ganze dadurch nicht unbedingt einfacher, jetzt müssen wir auch noch aufpassen, den Motor an den Felsen nicht kaputtzumachen. Ganz abgesehen davon, dass die Landleine nicht in die Schraube kommen sollte… Auf dem Boot selbst hält derweil der Anker nicht richtig, und rutscht beim Wiedereinholen immer wieder durch bzw. bleibt hängen. Irgendwann ist die zweite Landleine trotz mitgenommener Zusatzleine nicht lang genug, Ben muss mit einer zusätzlichen Leine ins Wasser springen, und zu uns schwimmen. Das ganze Manöver dauerte sicherlich um die 1,5 Stunden, sicher zur Belustigung der anderen Boote in der Bucht. An diesem Tag waren wir leider nicht alleine…
So ein Außenborder hat aber auch etwas gutes: Man kann damit wunderbar herumgurken, wenn man nichts mehr zu tun hat:
Leicht angenervt vom endlosen Manöver endete dieser Segeltag also etwas später als geplant.
Mittwoch: Nachdem ich mich beschwert hatte, am Steuer noch nicht ein Manöver gesegelt zu sein (wenige Manöver sprechen für gute Navigation, aber weniger Spaß), stehen Manöverkreise auf dem Plan! Jeder steuert einmal im „Kreis“, danach macht jeder noch einen Beilieger (das erkläre ich jetzt nicht). Das sieht auf dem Kartenplotter dann so aus:
Den relativ kurzen Tag beendeten wir im Hafen von Ermioni, nicht weit von Dokos entfernt.
Hier wurde etwas Proviant aufgestockt, im Restaurant gegessen, und das Hafenkino (4 Steckdosen auf etwa 15 Boote) beobachtet.
Donnerstag: Nach wiedermal anfänglicher Flaute und zwei Stunden unter Motor wird gebadet, dann aber wieder fleißig gesegelt. Abends laufen wir abermals in einer Bucht in der Nähe von Poros ein, in der schon ein anderes Boot mit gehisster Piratenflagge liegt. Deutsche, die auch über Nacht bleiben wollen – wir befürchten, dass es sich hier um ein lautes Assi-Partyboot handeln könnte. Nach unserem erfolgreichen Ankermanöver kommen einige unserer Nachbarn mit ihrem Dingi vorbei, wir spendieren einen Ouzo und ein Bier. Wir werden wiederum zum gleichen eingeladen – ein Teil unserer Crew schwimmt also rüber, und trinkt einen weiteren Ouzo und ein Bier… Das alles vor dem Abendessen. Auf dem Rückweg im Wasser sagte ich noch zu André „Ich befürchte, das wird DER Abend…“
Nach Einbruch der Nacht stellen wir fest, dass es in der Bucht ausreichend Plankton gibt, um die Biolumineszenz desselben zu beobachten – also drehen wir mit dem Dingi noch ein paar Runden um das Boot, und bringen mit planschen das Wasser zum Leuchten! Noch später beschließen wir, dem anderen Boot noch einen Besuch abzustatten… Wir bringen Bier mit, trinken schlussendlich aber den Biervorrat leer. Und ein hier nicht genannter Segler von uns stürzt eventuell leicht angetrunken auf einen Tisch, aus dem die Schrauben fallen. Unsere Nachbarn haben außerdem sogar täglich geduscht, erfuhr ich im Gespräch. Irgendwann mussten wir dann aber doch zurück. Die Einstiegsreihenfolge ins Dingi wurde zuvor noch heiß diskutiert, aus irgendeinem Grund wurde es als sinnvoll angesehen, dass ich als letzter einsteigen sollte. Das war dann mehr ein Stolpern, aber immerhin kamen wir einigermaßen trocken zurück auf unser eigenes Boot. Den Abend beendeten wir mit etwas Heavy Metal, während auf dem anderen Boot schon die Lichter ausgingen.
Der Bericht der anderen Crew liest sich also vermutlich in der Art „Da kamen ein paar Leute vorbei, die seit Tagen nicht geduscht hatten, haben unser Bier ausgetrunken, unseren Tisch kaputtgemacht, und bis im halb eins nachts laut Musik gehört!“
Freitag: Am nächsten Morgen beschließen wir und die andere Crew einvernehmlich und mit einem Augenzwinkern, dass wir wohl dass Assiboot waren.
An diesem Tag stand einfach mal Genusssegeln bei gutem Wetter und ziemlich stabilem Wind auf dem Programm.
Auf einem Halbwindkurs konnte ich unseren Kahn auf 8,8 Knoten bringen – Tobi hat es schlussendlich aber sogar noch auf 9 gebracht, insofern geht der Geschwindigkeitsrekord des Törns leider nicht an mich.
Geankert wurde wieder in unserer Bucht vor Agistri, wie am ersten Segelabend. Zwei große Luxus-Motoyachten leisten uns Gesellschaft. Das mit den Landleinen hatten André und ich dann auch endlich gemeistert und die richtige Technik raus.
Samstag: War da was mit den Landleinen? Nein, aber plötzlich gab es unerwartet viel Welle in der Bucht. Das ist leider nur recht kurz dokumentiert, aber man sollte die Problematik erkennen:
Vorne im Dingi und danach auch an Land: Ich. Bei derartigem Wellengang auf die nassen Felsen klettern, war gar nicht SO toll, wie es vielleicht klingt. Dass André mit dem Dingi zwischendurch ein wenig abtrieb, machte es nicht unbedingt einfacher.
Ein paar Regentropfen gab es dabei auch nochmal, aber insgesamt nochmal richtig tolles Segelwetter (vom fehlenden Sonnenschein vielleicht abgesehen).
Um die folgenden Videos korrekt zu genießen, empfehle ich dringend, spätestens jetzt etwas piratige Musik einzuschalten! Bewährt hat sich zum Beispiel unser Auslauflied, die Titelmusik zu Fluch der Karibik! Also einfach das hier in einem neuen Tab öffnen:
Und die folgenden Videos ohne oder mit leiserem Ton genießen (primär ist dort Wind zu hören):
Hier habe ich mich auch nochmal beim Heldentum filmen lassen:
Man beachte gleich zu Beginn meinen Kursfindungsprozess: Blick auf den Kompass, im Anschluss aufgrund des oben erwähnten, fehlenden Verklickers, der Einsatz des in den Wind gedrehten Ohrometers, das erstaunlich gut funktioniert und mir treue Dienste im gesamten Törn geleistet hat!
Unser Törn endete schließlich kurz darauf am Samstagabend in der Marina Alimos bei Athen. Das Einparkmanöver war nicht GANZ einfach, da wirklich überhaupt kein Manövrierplatz vorhanden war, um die große Yacht in die Enge Box zu befördern. Aber auch das hat unser Captain heldenhaft gemeistert, so dass wir uns über einen gelungenen Segeltörn über etwa 200 Seemeilen freuen konnten! Die Strecke habe ich zur Anschaulichkeit halber in eine Karte meines Griechenland-Reiseführers eingezeichnet (und zwischendurch einen Fehler gemacht, das bitte ignorieren):