[7387 km] Weiße Weihnacht in Jekaterinburg?

[7387 km] Weiße Weihnacht in Jekaterinburg?

Да!

In Tomsk staunen wir bei Einstieg in unseren Zug nach Jekaterinburg nicht schlecht: Unser Waggon ist scheinbar von der neuesten Bauart, ist so sauber als wäre er gerade erst aus der Produktion gekommen, und die Toilette (ein von mir nicht ohne Grund oft vernachlässigter Punkt) sieht aus, als hätte die RZD einen eigenen Schweizer zur Pflege eingeflogen.

Da wollen wir uns mal nicht beschweren. Auf der Fahrt gab es nur einen bedeutenden Halt um 18:54: Ich unternehme zum zweiten Mal die Reise durch Sibirien, jetzt stand ich zumindest mal in der größten Stadt Sibiriens (und drittgrößten Stadt Russlands): Novosibirsk.

Hier gibt es nicht viel sehen, der eineinhalb-Stunden-Stopp würde fast für einen Stadtbummel reichen, führt uns aber nur in ein Einkaufszentrum.

Am Abend gibt es endlich mal wieder die Gelegenheit für die sträflich vernachlässigte Tradition…

Im Hintergrund rauscht der Bahnhof vorbei.

Am 7.1.2019, dem Weihnachtsmorgen, verlassen wir gegen 9 Uhr Sibirien – von nun an befinden wir uns in der Ural-Region!

Um 13:44 Uhr rollt unser Zug dann pünktlich wie immer ein in

Jekaterinburg

Jekaterinburg ist die viertgrößte Stadt Russlands – und unerwartet urban. In der Innenstadt reihen sich Hochhäuser aneinander, viel altes existiert hier eigentlich nicht. Da ich bereits verwunderte Fragen aus Deutschland erhalten habe, weshalb die Städte hier so gut aussehen: Außerhalb des Stadtkerns trifft man aber natürlich auch hier auf die immer identischen Plattenbauten:

Zurück zum Herz der Stadt: Dort befindet sich ein recht großer See,

der jetzt im Winter eher als Stadtpark dient. Das nebenan gelegene Fußballstadion wurde ähnlich umfunktioniert,

hier wird jetzt Schlittschuh gelaufen. Aufgrund der fehlenden Kulisse entscheiden wir uns dagegen.

Noch am Abend entdecken wir einen kleinen Weihnachtsmarkt.

Hier gibt es zur Überraschung sogar Getränkestände – mit Kaffee und Kakao. Glühwein gibt es leider auch hier nicht, also müssen wir uns mit einem heißen Kakao begnügen (den Arne aufgrund des glatten Untergrunds teilweise auf seiner Jacke verteilt).

Richtig kalt ist es übrigens nicht mehr – wir bewegen uns zwar noch deutlich unter -10 Grad, aber tiefer als -18 Grad sehen wir das Thermometer hier nicht mehr fallen. Es ist eben nicht mehr Sibirien hier.

Es existiert natürlich auch noch ein richtiger Weihnachts-(oder auch Neujahrs-)Markt nach russischer Tradition!

Sogar der Weihnachtsmann mit seinen bekannten Gehilfen Knecht

….Schwein…. ist da. Das geht wohl auf die Geburt Jesu zurück, bei der die Heiligen drei Könige Weihrauch, Gold und Bacon vorbeibrachten. Ein Rentier ist übrigens auch wieder am Start,

nebenan ist dann auch eines der Kamele der Heiligen drei Könige zu bestaunen.

Fun fact, da sich mal wieder Ponys im Bild befinden: Bei 86 Prozent aller Ponys handelt es sich eigentlich um ganz normale Pferde, die sich nur sehr weit entfernt befinden.

Etwas Geschichte gibt es in Jekaterinburg auch noch: Hier wurden 1918 der letzte Zar (Nikolaus II) und seine Familie in einem Keller von den Kommunisten erschossen. Im Gedenken an die Romanovs wurde hier die massive Kirche auf dem Blute errichtet:

Highlight waren aber auch hier für uns eher wieder die detaillierten Eisskulpturen!

Nebenan liegt sogar noch mehr Rohmaterial bereit:

Auf der anderen Seite nebenan: Eine weitere Gedenkstätte.

Herausgefunden habe ich es noch nicht, aber vermutlich können die zwei Kirchen erst in den letzten drei Jahrzehnten, nach dem Fall der SU, entstanden sein. Ähnlich sieht es vermutlich mit den vielen Wolkenkratzern aus. Bis 1990 war die Stadt unter dem Namen Sverdlovsk eher für die Rüstungsindustrie bekannt, und ebenso wie Wladiwostok eine der gesperrten Städte.

Von der größten Kirche geht es zur kleinen:

Und von der kleinen Kirche geht es zum großen Haus im Hintergrund: Im 52. Stock befindet sich eine Aussichtsplattform, von der man die Stadt, soweit die Sicht reicht, im Blick hat!

Mir ging’s da oben bei dem Wind natürlich total super!

Außerdem gibt es hier endlich mal ein lokales Eishockeyteam: Автомобильист Екатеринбург!

Zu unserer völligen Überraschung haben wir sogar für das Spitzenspiel gegen SKA Sankt Petersburg noch Tickets bekommen!

Eishockey in Russland ist definitiv eine interessante Angelegenheit! Vor zwei Jahren war ich in den USA bei einem NHL-Spiel, qualitativ hängt die russische Liga der NHL sicher nicht nach. Auch die Stimmung im Stadion ist besser, es wird tatsächlich auch mal wirklich gejubelt (in der NHL war eigentlich nur Stimmung, als gerade Pizzagutscheine ins Publikum geworfen wurden…). Außerdem gibt es…

eine Liveband und Cheerleader! Die Band ist links etwas versteckt, wer etwas erkennen will muss reinzoomen – die echte Kamera war im Stadion verboten.

Der Eintrittspreis mit 500 Rubeln (6 bis 7 Euro) ist ebenfalls sehr gemäßigt – in einem Punkt hat im Vergleich die NHL aber die Nase klar vorn:

Die Amerikaner sind im Bezug auf Alkohol nicht so konservativ wie die Russen!

Wer hätte gedacht mal so einen Satz zu lesen, aber im Stadion gab es ebenso wie auf dem Weihnachtsmarkt keine alkoholischen Getränke, auch nichtmal Bier. Die Trinkkultur ist hier eben eine deutlich andere. Wodka trinkt man eigentlich nur zum Essen (wie Wein, nur schneller), Wodka in der Kneipe trinken nur Alkoholiker und Touristen habe ich gelesen. Außer eben beim Essen scheint überall, wohin man Frau und Kinder mitnehmen könnte, Alkohol stark verpönt zu sein.

Auch in der Abend besuchten Bar lagen wir gefühlt mindestens 15 Jahre über dem Altersdurchschnitt – hier wurde dann zumindest aber auch von anderen Gästen Bier konsumiert.

Etwas weiter gefasst, ist uns in den letzten Wochen aufgefallen, dass es sich bei etwa 90% der 24-Stunden-Läden um Blumengeschäfte handelt – wer dann doch in der Bar seinen Wodka getrunken hat, kann sich dann wenigstens morgens um drei gleich dafür entschuldigen!

Das sind mal wieder russische Merkwürdigkeiten.

Weiteres Highlight des Spiels: ZWEI Eismaschinen!

Cheerleader, Band und Fans haben übrigens nicht viel genützt: Awtomobilist unterlag Sankt Petersburg (auf deren Trikots aus irgendeinem Grund übrigens noch der Schriftzug ЛЕНИНГРАД – zu deutsch Leningrad – prangt) am Ende. Und zwar nicht besonders knapp – nee, nee, nee, die wurden zerpuncht: 6:0 für Petersburg. Spaß gemacht hat’s trotzdem, wenn möglich werden wir uns auch noch ein weiteres Hockeyspiel anschauen!

Wo wir gerade bei Merkwürdigkeiten waren:

Die Straßenlaternen haben Lampenschirme…

Damit wäre dann das russische Weihnachtsfest auch vorbei – am 9.1.2019 gegen Mittag steigen wir wieder in den Zug nach Nizhny Novhorod – die letzte richtige Bahnfahrt in der nächsten Zeit, danach steht erstmal nur Kurzstrecke bis Moskau an, und danach nur noch kurze Nachtfahrten.

Die folgenden Einträge werden daher entweder etwas kürzer werden, oder verzögerter kommen – aber ich bin nicht weg, sondern nur woanders!

Damit schließe ich diesen Artikel mit etwas wohl sehr russischem:

Der berühmten Eis-Kopeken-Schwein-Skulptur!

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