Hoch, höher, Höherer Atlas!

Hoch, höher, Höherer Atlas!

Die zwei Tage nach meinem Wüstenausflug standen ganz im Zeichen der Autofahrt. Die einfache Variante wäre natürlich der Weg über Ouarzazarte gewesen, auf der gut ausgebauten Straße. Die Gegent hatte ich aber natürlich schon gesehen, daher wählte ich für den Rückweg einen Pass weiter im Osten, nördlich von Tinghir.

Direkt nach der Abfahrt aus Merzouga wurde ich schon durch das erste Hindernis aufgehalten…

Die Kamel-Warnschilder wurden also wirklich nicht ganz ohne Grund aufgestellt! Nachdem der Kameltreiber seine Schützlinge etwas aus meiner Schusslinie gebracht hatte, konnte es dann auch weiter gehen. Aufgrund des morgendlichen Ablaufs (Sonnenaufgang anschauen und ein bisschen in der Wüste rumlaufen, dann Frühstück, dann Rückritt ins Dorf, dann der Versuch den Sand loszuwerden) konnte ich erst deutlich später losfahren also sonst üblich – etwa zwei Stunden fehlten bereits im Tagesplan (die es aber mehr als Wert waren).

Die erste Zwischenetappe lautete Thinghir. Wer das heutige Kartenbild mit dem gestrigen vergleicht, erkennt dass ich auch hier bereits eine leicht andere Route gewählt habe. Ganz streng genommen war die Aussicht nicht so sehr anders als am Vortag…

Auf weitere Wüsten- und Berge-Bilder verzichte ich an dieser Stelle… Etwa 3 (laut im Auto singend verbrachten) Stunden hatte ich Tinghir erreicht. Hier wurde natürlich Obst aufmunitioniert, Tee getrunken und der restliche Markt unter die Lupe genommen. Zu meiner eigenen Überraschung habe ich in der Stadt selbst keine Fotos gemacht… Als so ziemlich einziger Tourist war ich vermutlich schon auffällig genug, was meistens eher hinderlich ist. Beim Tee trinken wollte ich eigentlich auch noch eine Unterkunft für die Nacht in der nördlich gelegenen Todra-Schlucht. Da es aber noch früh am Nachmittag war, entschloss ich mich dagegen, und versuchte stattdessen einfach so weit zu fahren wie mir das Tageslicht erlauben würde.

Beim Verlassen der Stadt (wohl so gegen 14 Uhr) und bei der Einfahrt in die Schlucht war dann auch sehr gut zu erkennen, weshalb sich gerade hier eigentlich Menschen angesiedelt haben:

Die tatsächliche Schlucht tat sich dann recht schnell nach einigen weiteren Kilometern auf. Da der Hohe Atlas dem Namen gemäß nicht ganz niedrig ist, hatte ich hier schon einen relativ großen Fluss erwartet – der Todra ist ganz und gar kein reißender Strom, die Schlucht dafür um so beeindruckender!

Dieser Teil der Schlucht war überraschend sogar leicht touristisch geprägt, da sich die steilen Wände wohl sehr gut zum Klettern eignen… das musste ich aber nun wirklich nicht näher ergründen.

Bereits um die nächste Ecke war der Fluss übrigens auch schon wieder verschwunden und so gut wie ausgetrocknet!

Hier wartete auch schon die erste Herberge der Schlucht auf mich, sehr einladend mit Eseln vor der Haustür…

Aber es war natürlich immer noch deutlich zu früh zum Halt machen! Also ging die Fahrt weiter über schlechte Straßen, drängelnde LKWs(!) einen Meter von der Heckstoßstange entfernt sorgen dann auch stellenweise für’s etwas schnellere Vorankommen (Ich hatte teilweise leichte Sorgen um die Achsen meines Mietwagens…). Meine auf Openstreetmap basierende Navi-App war hier schon teilweise leicht irritiert, da in den letzten Jahren wohl schon öfter mal die Streckenführung geändert wurde. Zum Glück gab’s aber außer Vorwärts und Rückwärts keine Optionen, so dass die Navigation nicht sonderlich schwierig war. Am Horizont stellten sich bald darauf schon die ersten schneebedeckten Berge ein

nur um dann ganz plötzlich zu einer Hochebene zu werden!

Am Stand der Sonne lässt sich bereits erahnen, dass die Zeit weiter fortgeschritten war. Auch hier bot sich wieder einmal die Möglichkeit der Übernachtung, aber ich hoffte noch ein gutes Stück weiter zu kommen – der Pass auf der Karte war nicht mehr weit entfernt, und die Straßen sahen allgemein nicht sonderlich verschneit aus, was stark für die Weiterreise sprach. Mit inzwischen wieder extrem wenig Verkehr ging es also weiter. Es folgten zwar noch zwei Dörfer, die aber scheinbar keine Übernachtungsmöglichkeiten boten. Mit sinkender Sonne wurde ich also langsam doch nervös, ob ich wohl noch etwas zum Übernachten finden würde… Immerhin hatte ich in Tinghir vollgetankt, so dass ich mich immerhin darum nicht sorgen musste. Und so plötzlich wie die Hochebene erschienen war, war ich dann auch wieder in den Bergen und innerhalb weniger Minuten auf dem Pass, in 2700 Meter Höhe!

Ursprünglich hatte ich nicht damit gerechnet, den Pass überhaupt noch an diesem Tag hinter mir zu lassen. Die Sonne war mittlerweile schon immer häufiger hinter den Bergen verschwunden, 20 km nördlich fand ich dann, im kleinen Dorf Agoudal, eine Unterkunft – gerade rechtzeitig, um noch den (aufgrund der umliegenden Berge eigentlich nicht vorhandenen) Sonnenuntergang vom Herbergendach  zu bewundern!

So knapp wollte ich es eigentlich nicht werden lassen, ich war aber froh um jeden Kilometer, den ich hinter mich gebracht hatte. Zum Abendessen wartete dann sogar, man glaubt es kaum, ein köstlicher Hopfensaft auf mich!

Der merkwürdige Blumentopf  rechts davon ist übrigens eine Tajine, und enthielt das Abendessen. Enthalten kann dann alles mögliche sein (meist eine Mischung aus Gemüse und Fleisch, siehe das Abendessen vom Vortag), der Tondeckel muss auch immer bis an den Tisch gebracht werden (und ich brennend heiß) – zum Essen darf man ihn zum Glück abnehmen. Ich genoss also mein Geburtstagsbier in der kalten Herberge, da ich mal wieder der einzige Gast war… Immerhin war mein Gastgeber sehr besorgt um meine Gesundheit, und gab mir so neben einem kleinen Elektroheizer(!) sogar noch eine Wärmflasche(!!) mit in die Nacht!

So toll ausgestattet für die kalte Nacht war ich noch nie, die Fahrt steckte mir auch einigermaßen in den Knochen. Volle sechs Stunden hatte ich im Auto verbracht – 3 Stunden nach Tinghir (300 km) und von dort fast nochmal drei Stunden nach Agoudal – 90 km von Tinghir entfernt!

Um die gewohnte Zeit von acht Uhr morgens (da ich die Marokkaner einfach nicht dazu bewegen konnte, mir früher als um halb Acht das Frühstück zu geben) konnte ich also frisch ausgeschlafen in die eisige Kälte der Berge starten! Wie hoch Agoudal gelegen ist, habe ich leider auch nach der Reise nicht herausfinden können… aber es gab Schnee, und es war kalt!

Die Tour ging also weiter durch den hohen Atlas, wobei ich dachte das schlimme Stück hinter mir gelassen zu haben.

Dem war nicht so.

Zunächst startete die Fahrt ziemlich gut – die Straße war in einigermaßen akzeptablem Zustand, es gab auch wieder ab und zu einige Autos zu sehen, alle paar Kilometer gab es eine kleine Siedlung, und die Straße führte durch nicht allzu unwegsames Gelände!

Sehr plötzlich gab es sogar eine ganze Völkerwanderung auf den Straßen – scheinbar war an diesem Morgen großer Wochenmarkt, und eines der Dörfer der zentrale Umschlagplatz!

Ich wäre hier sehr gerne ausgestiegen und hätte mir den Markt angeschaut, mit Blick auf die sehr lange Strecke ließ ich dies aber bleiben… so blieb es bei diesem Foto.

Danach wurde es wieder einsamer auf der Strecke… es standen auch von Zeit zu Zeit solche Schilder an der Straße:

Wer kein Französisch spricht… das heißt soviel wie… ach, nicht so wichtig. Ich war übrigens morgens um 9 dort….

Von hier an wurde die Straße leider auch wieder kontinuierlich schlechter, und das Vorankommen wurde immer wieder von sehr flauschigem Verkehr behindert!

Nach etwa zwei Stunden Fahrt gönnte ich mir dann sogar eine kurze malerische Pause an einem kleinen Gebirgsee!

Von dort an wurde es schwierig. Teilweise sehr schwierig. Um die Ecke wartete schon so eine Art Baustelle – bevor eine Raupe den Weg (nur für mich…) freischob, dachte ich zum ersten Mal an diesem Tag dass ich umkehren müsste!

An dieser Stelle der Reise wurde mir dafür klar, dass ich ja auch direkt aus der Smartphonehalterung an der Windschutzscheibe Fotos machen konnte! Nicht immer anhalten müssen war eine unglaubliche Verbesserung, daher werden die restlichen Bilder des Tages eben überwiegend einen Teil meines Armaturenbrettes enthalten…

Diese Baustelle, wenn auch nur von Zeit zu Zeit gebaut wurde, zog sich ziemlich lange hin, mit stark wechselnder Straßenqualität.

Und so war die Aussicht zwar sehr malerisch, aber für mein geistiges Wohlbefinden nicht immer ganz hilfreich… So ging es einige Kilometer lang weite!

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Beendet wurde dieser Abschnitt dann glücklicherweise irgendwann mit einem großen, orangenen Bagger, der mir den Weg versperrte…

Auch hier kam natürlich kurz die Sorge durch, nicht mehr weiterzukommen… zum Glück räumte auch dieser Bagger mir aber den Weg! Direkt um die Ecke führte die Straße dann noch direkt durch einen kleinen Fluss…

Ja, es war ein kleiner Fluss, mein Vertrauen in meinen Stadtflitzer war aber auch sehr begrenzt. Durchgeschafft hat er es trotzdem. Wiederum um die Ecke wartete eine Abzweigung auf mich – die erste echte Abzweigung seit Tinghir, denn in beide gab es ein Schild! Normalweise gab es zwar ab und zu die Option abzubiegen, aber wenn eine der Optionen ein kleiner Feldweg ohne Schild ist, ist es einfach… Ich entschied mich für den linken Weg, einigermaßen voller Zuversicht.

Dies war vermutlich der Punkt, an dem ich meine Navi-App nochmal genau gegen meinen auf der Karte geplanten Weg hätte abgleichen sollen. Hätte sollen.

So sah die Straße zu Beginn noch ganz gut aus, es gab sogar zur Abwechslung mal Gegenverkehr!

Diesbezüglich wurde es sehr plötzlich sehr ruhig…. es gab zwar noch Verkehr, allerdings nicht auf 4 Rädern, sondern eher auf 4 Beinen.

 

 

Abgesehen von diesen tierischen Reisenden war die Fahrt aber an dieser Stelle noch recht entspannt. Die Straße schlängelte sich um alle möglichen kleinen und großen Erhebungen, was natürlich wieder zu niedrigen Geschwindigkeiten führt – wer weiß, hinter der nächsten Kurve könnten ein LKW auf der falschen Spur entgegenkommen, ein achsbrechendes Schlagloch warten, oder 100 Schafe die Fahrt beenden. Dennoch war ich hier noch guter Dinge, was mein Vorankommen betraf.

Je weiter ich Richtung Ziel vorankam, desto näher kam jedoch auch der Schnee…

Und desto schlechter wurden auch die Straßen, und desto näher kamen die Tiere… Der Höhepunkt wurde erreicht, als ich plötzlich in einer kleinen Siedlung, mitten auf der Schlammpiste, komplett von Schafen, Hühnern und Eseln eingeschlossen war!

An dieser Stelle war ich mir zu 90% sicher: Auch wenn das Navi sagt dass es weiter geht, hier ist Schluss. Die Straßenqualität im Dorf war so schlecht, dass ich spätestens am Ortsausgang nicht mehr weiterkommen würde! Es war zwar erst kurz vor Mittag, aber die Aussicht umdrehen und einen anderen (eventuell nicht existenten) Weg finden zu müssen, machten mich langsam aber sicher doch sehr nervös.

Am Ende des Dorfs war ich zwar ein wenig erleichtert über die Rückkehr des löchrigen Asphalts (schlechteste Fortsetzung aller Zeiten…), aber wirklich wohl gefühlt habe ich mich auch dort noch nicht wieder!

Zu diesem Zeitpunkt war ich seit etwa dreieinhalb Stunden unterwegs, und hatte weniger als 70 Kilometer hinter mir lassen können – allein in der letzten Stunde war ich nur 10 bis 15 Kilometer vorangekommen! Mir wurde klar, bei diesem Tempo würde ich es nicht schaffen. Immerhin war bis hier die Straße noch frei von Schnee, kurz darauf befanden sich aber mitten während eines Anstiegs auch noch Schneeberge in der Mitte der Fahrbahn, die deutlich hörbar bereits an der Unterseite meines Autos kratzten… (Hier war ich dann tatsächlich so konzentriert unterwegs, dass ich dies nicht in Bildern festgehalten habe)

Zwischendurch natürlich immer wieder Pferde, Schafe, Esel… ein anderes Auto hatte ich seit über einer Stunde nicht mehr gesehen.

So plötzlich wie der Schnee gekommen war, war er dann übrigens auch wieder verschwunden! In einer Minute wird man noch von Schafen und Schnee aufgehalten,

und fünf Minuten später sieht die Welt plötzlich viel rosiger aus!

Wer genau hinschaut, erkennt auf diesem Foto übrigens einen Mann mit Handkarren… Der befand sich sicherlich mindestens auf einem Tagesmarsch!

Von dort an hatte ich wirklich das schlimmste hinter mir! Nicht dass die Straßen danach durchgehend besser gewesen wären…

Dennoch kam ich wieder mit einer einigermaßen annehmbaren Geschwindigkeit voran, und es gab sogar wieder von Zeit zu Zeit etwas Verkehr! Die neugewonnene Freude über andere motorisierte Verkehrsteilnehmer endet übrigens sehr jäh, wenn das erste Großraumtaxi in der nicht einsehbaren Kurve auf der falschen Spur entgegenkommt. Über diese erwarteten Nahtoderlebnisse konnte ich aber gut hinwegsehen, ich deutete dies einfach frohen Mutes als gutes Zeichen, dass die Straße auf der ich mich befand auch irgendwo hinführen würde!

Einen längeren Teestop hatte ich mir dann eigentlich für Bin-El-Ouidane vorgenommen – einen Stausee mitten an meiner Strecke, der sehr idyllisch gelesen sein sollte. Übernachten wollte ich dort nicht unbedingt, da es nur deutlich zu feine Hotels für mich gab, aber genau dort für eine Pause sollte sich der See sicherlich trotzdem eignen! Bei Ankunft wurde mir allerdings ein gewisses Problem bewusst…

Irgendwie fehlte der See. Eigentlich hätte ich (und das auf dem zweiten Foto links liegende Hotel) direkt am See stehen sollen, aber scheinbar tritt dies erst ein, wenn die Schneeschmelze in den Bergen beginnt… Die Pause fiel entsprechend kürzer aus als geplant, und es ging weiter grob Richtung Marrakesch. Nach ein paar weiteren Kilometern Bergstraßen wechselte die Landschaft mal wieder recht plötzlich, und die Aussicht war geprägt von Feldern und Bäumen anstatt der gewohnten schroffen Berge!

Allerdings war dieser Landschaftsabschnitt nicht von allzulanger Dauer, und die Straße führte mich mal wieder ins Gebirge! Zur Abwechslung allerdings – und hierüber war ich unglaublich froh – ohne Schnee und mit ordentlich asphaltierten Straßen!

Mein Ziel des Tages lautete schließlich Ouzoud, mit 150 Kilometern theoretisch nur einen Katzensprung entfernt. Theoretisch – an diesem Donnerstag verbrachte ich etwa 7 Stunden auf der Fahrt, und konnte dabei laut Google Maps unglaubliche 220 Kilometer zurücklegen… da konnte ich nur hoffen, dass es am nächsten Tag besser werden würde.

 

Abschließend möchte ich noch einen Satz aus genau diesem Beitrag zitieren:

Dies war vermutlich der Punkt, an dem ich meine Navi-App nochmal genau gegen meinen auf der Karte geplanten Weg hätte abgleichen sollen. Hätte sollen.

Nach Ankunft stellte ich fest, dass ich laut Karte einen anderen Weg hätte fahren sollen. Und nach meiner Rückkehr nach Deutschland (und beim Schreiben dieses Beitrags) stellte ich dann auch noch fest, dass ich sogar noch 10 Minuten vorher (VOR der Durchquerung des kleinen Flusses) einfach hätte geradeaus fahren sollen, anstatt links abzubiegen.

Ups…

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