Habarovsk – Pjöng-yuan
Der etwas merkwürdige Titel wird weiter unten erläutert. Der heutige Beitrag ist leider sehr textlastig – an Grenzen sind Fotos allgemein leider nicht besonders beliebt.
Am 30.9. haben wir uns Gegen 15 Uhr vor unserem Buchungs-Container eingefunden. Es passierte erstmal überhaupt nichts, dann sprach uns ein anderer Ausländer an, ob wir Englisch sprechen – Er stellte sich als in Guatemala lebender US-Amerikaner heraus, der aktuell auf Weltreise ist. Auf dem aktuellen Trip war er schon mehrfach in China, und auch einmal in Nordkorea. Er wollte aber nur für einen Tag nach Fuyuan, um zu sehen wie eine kleine Grenzstadt so ist. Das soweit als Vorab-Info.
Irgendwann brachte unsere Buchungsfrau uns drei dann zur Ticketkontrolle (wo Chinesen und Russen schon seit einiger Zeit hineinströmten. Das war einfach.
Danach ging es weiter zur Passkontrolle. Hier mussten wir wieder relativ lange warten, bevor wir überhaupt in den Kontroll-Raum durften… Direkt vor uns war eine russische Reisegruppe, und die Mutti war sehr auf’s organisieren ausgelegt… Entsprechend durften wir auch an niemandem vorbei. Nach einiger Zeit (15 Minuten?) durften dann alle zur Gepäckdurchleuchtung (hat keinen interessiert was drin war) und durch den Metalldetektor gehen (hat keinen interessiert dass es bei jedem gepiept hat). Wieder warten in drei Schlangen, was wir uns auch hätten sparen können – wenn unsere Schlange kürzer zu werden drohte, wurden aus anderen Schlangen Leute umverteilt (natürlich vor uns). Ein bisschen seltsam, aber was auch immer, Hauptsache wir kommen auf’s Boot. Irgendwann ging dann zuerst unserer Amerikaner durch die Kontrolle (mit drei Jahre Touristenvisum mit mehrfach-Eintritt, er war selbst überrascht über die Länge). Ging schnell.
Danach ging ich zur Kontrolle. Hallo sagen, Pass abgeben, Nein ich spreche kein russisch. Die Dame macht irgendwas mit meinen Pass, telefoniert. Telefoniert nochmal. Fragt mich nach meinen Namen (zu diesem Zeitpunkt war ich kurz irritiert, ob Arne und ich aus Versehen Pässe getauscht haben könnten). Telefoniert noch einmal. Und noch einmal. Nach einigen Minuten kommt ein fies aussehender Uniformierter Mann dazu, und fragt ob ich nach der Ausreise wieder nach Russland zurück möchte. Ich erkläre unsere Route über Beijing, alle sind beruhigt, ich darf ausreisen.
Die Fahrt mit dem Schnellboot dauerte etwas über einer Stunde, dann war Ankunft in China. Wir drei Ausländer wollen zuerst raus, um nicht wieder auf die russische Gruppe warten zu müssen. Nach einiger Zeit kommt ein chinesischer Soldat an Bord. Dass unser Amerikaner ein Amerikaner ist verstehen alle Anwesenden recht schnell. Dass ich die Fragen der Reiseleiterin und einer anderen Russin, ob ich Englisch spreche, und ob ich Deutsch spreche beide bejahe, führt zu einer gewissen Unruhe und Irritation an Bord.
Irgendwann dürfen wir von Bord, noch vor der eigentlichen Passkontrolle werden wir abgefangen. Die folgende Beschreibung erhebt keinen Anspruch auf eine vollständige Beschreibung aller Maßnahmen, eventuell wurden einige davon auch mehrfach durchgeführt, und vermutlich teilweise in einer anderen Reihenfolge. Ein Soldat fragt unseren Amerikaner nach seinem Pass, ein anderer mich. Die Gruppenzugehörigkeit ist den Chinesen einigermaßen unklar, drei nicht-russische Ausländer an einem Tag können ja nur zusammengehören. Alle Stempel werden untersucht. Ob wir noch andere Pässe besitzen werden wir gefragt. Der Amerikaner fragt was er mit anderen meint (alte Pässe vielleicht), ich verneine einfach. Die Grenzbeamten und Soldaten wollen nicht so ganz glauben dass der Amerikaner am nächsten Tag zurück will, und wir weiter nach Beijing.
Mein Pass ist erstmal für mehr Chinesen interessant als Arnes, und macht ein bisschen die Runde, während Arne seinen schon wieder in den Händen hält.
Irgendwann dürfen wir uns setzen, von dort an stehen immer mindestens zwei Soldaten zur Wache vor uns, wir werden abwechselnd zu verschiedenen Themen befragt. Wohin wollen wir? Kennen wir Leute in China? Waren wir schonmal in China (Arne vor zehn Jahren, ich noch nicht)? Wieviel Geld haben wir dabei? Fast nichts, ein paar Rubel als Andenken (unter einem Euro), und um 30 Euro. Vorzeigen! Ich habe mein Euro-Geld so gut versteckt, dass ich es selbst nicht finde. Meine Andenken-Rubel sind in einer Tüte mit meinem Impfpass und den Notfallnummern. Der Impfpass interessiert den Soldaten kurze Zeit, dann bekomme ich alles zurück.
Zu diesem Zeitpunkt war ich nicht sicher, ob man uns hier nicht dazu bringen wollte, dass wir sie einfach bestechen, oder ob sie den Falschgeldtrick abziehen wollten (dieser 1000 Rubel Schein ist gefälscht, den müssen wir konfiszieren). Wir spielen aber einfach mit.
Dann Gepäckkontrolle. Arne muss neben mir praktisch alle Klamotten ausrollen, mein Soldat ist mehr an meiner Hygienetasche interessiert. Ich erkläre brav die unterschiedlichen Funktionen von Zahnpasta, Shampoo, Rasierer, Deo usw., dann wird’s dem Chinesen zu blöd. Er wühlt noch ein bisschen in meinem Rucksack, ich darf wieder einpacken. Schade, ich hatte gehofft dass ich noch meinen Dreckwäsche-Beutel öffnen darf und einen ABC-Alarm auslöse. Ich darf wieder einpacken.
Neben mir hat Arne praktisch seinen gesamten Rucksack geleert, danach ist auch noch seine Umhängetasche dran. Meine wird vergessen.
Danach wieder die Frage an mich nach dem Geld. Ich zeige brav wieder meine Rubel, diese werden nochmal gezählt (50 + 10 sind immer noch 60). Wie ich meine Reise bezahlen will? Ich zeige meine Kreditkarte. Drei bis vier Chinesen reagieren mit einer Mischung aus Lachen und Verwunderung.
Wo wir wohnen in Deutschland wollen sie wissen.
“Stuttgart.“
“Where?“
“Stuttgart“
“Where?“
“Stuttgart“
“Where?“
Ich verkneife mir die Frage danach wievielte deutsche Städte er denn so kennt, und zeige auf den Eintrag in meinen Pass. Darmstadt kannten sie wenig überraschend nicht.
Was machen wir beruflich? Ich sage “IT. Computers.“ Das ist einfach und sie sind zufrieden. Dieselbe Frage an Arne. “Laser Technician“
“What?“
(Verlauf wie oben)
Der Amerikaner springt zur Hilfe und sagt “scientist.“ Okay, das verstehen sie. Laser machen sie dann natürlich wieder neugierig. Die Fragen laufen aber ins Nichts.
Nächste Runde: Handykontrolle. Fotos interessieren sie. Ich entsperre mein Handy, die Fotos sollen Sie mal alleine finden. Das ist ihnen scheinbar gelungen, ein paar Minuten wird wild in meinen Fotos geblättert. Offenbar finden Sie aber nichts interessantes.
Arnes Handy ist dran, wieder wildes blättern. Ein Video startet, man hört asiatische Stimmen aus dem Handy. Drei oder vier unserer Durchsucher blicken sehr ernst auf das Handy. Plötzlich wird wild gelacht – Okay, wohl ein WhatsApp-Video über den Wahnsinn Chinas.
Nach Kameras werden wir gar nicht gefragt – wir sind wohl zu unmodern für die Chinesen.
Besonders amüsiert waren sie auch, als der Amerikaner ihnen erklärte er wollte nur mal eine Grenzstadt sehen, am nächsten Tag fahre er zurück. Bei einem Foto wurde er auch gefragt wo es aufgenommen wurde.
“North Korea.“
„No, you cannot go there!“
„I’ve been there two weeks ago.“
„No, cannot go there!“
Die Anzahl der Chinesen um uns herum variiert. So ziemlich jeder Uniformierte der vorbeikommt, durchblättert unsere Pässe, dir auch ein bisschen durchs Gebäude wandern zwischendurch. Ich bin sicher einige wollten nur mal sehen worum denn so ein Aufstand gemacht wird, und sich dann auch mit ein oder zwei Fragen wichtigmachen.
Ich musste die ganze Zeit über ziemlich grinsen, und mich stellenweise extrem zusammenreißen nicht laut zu lachen. Unsere zahlreichen Kontrolleure waren augenscheinlich überfordert, und wussten selbst nicht so recht wonach sie eigentlich suchen.
Schlussendlich durften wir dann doch die Einreisescheine ausfüllen (nach einer “jetzt kommt doch endlich und trödelt nicht so“-Geste des Chefs). Unser Amerikaner merkt an, dass er sich so die Einreise nach Nordkorea vorstellte, die aber deutlich einfacher ablief. Für uns alle drei war das der mit Abstand absurdeste und längste Grenzübertitt bisher – wie vielleicht schon aufgefallen ist, habe ich eine gewisse Vorliebe für’s absurde, und so war ich mal wieder unglaublich begeistert!
Nach etwa einer Stunde haben wir unsere Stempel im Pass – willkommen in Pjönjang.. ähh Fuyuan! Der Grenzübertritt sollte nicht die einzige Ähnlichkeit sein, die an diesem Abend bemerkt wurde – aber das wird im nächsten Artikel ausführlich beschrieben!