[9833 km] Harbin

[9833 km] Harbin

Achtung, der folgende Artikel ist nichts für Freunde der kurz gefassten Prosa! 

Nach der Ankunft in Harbin gestaltete sich die Lage etwas komplizierter als wir es erwartet hätten… Der Bahnhof hatte in etwa das Format eines mittelgroßen deutschen Flughafens, die Schilder überwiegend auf Chinesisch (Okay, das war wohl mehr oder weniger zu erwarten), und die zur Verfügung stehenden Orientierungshilfen nutzlos.

Der Stadtplan im Lonely Planet: Auf die Innenstadt beschränkt, wir standen aber 10 km entfernt am Westbahnhof.

Google Maps: Alle Google-Dienste sind in China komplett gesperrt. Sonst hatten wir uns vorher die Stadtgetiete geladen und die Hostels markiert. Das fiel also auch aus, da ich es in Fuyuan nicht geschafft habe, eine VPN-Verbindung nach außerhalb Chinas aufzubauen. Sämtliche Internetbasierten Versuche innerhalb des Bahnhofs waren auch zum Scheitern verurteilt.

Die Wegbeschreibung des Hostels: Gehe 490 Meter vom Bahnhof, nimm Bus 64 für eine Stunde zur Haltestelle Dao Li San Dao Jie. In welche Richtung man gehen sollte, war aber leider nicht beschrieben.

Der erste Gedanke war: Wir nehmen die ausgeschilderte Metro. Die Schilder waren nicht ganz eindeutig und führten uns eine Zeitlang im Kreis… Ursache: Die Metro ist noch gar nicht gebaut. Aber immerhin ausgeschildert, der gute Wille ist also da! 

Ausgeschildert waren außerdem eine Bus-, eine Coach-, und eine Taxistation. Ein Taxi hätte vermutlich zwar unter 5 Euro gekostet (inklusive Touristenaufschlag), unsere Zieladresse hatten wir aber ausschließlich in lateinischen Buchstaben, nicht in chinesischen Schriftzeichen. Also keine Chance auf Taxi.

Bus-Station: kein Bus Nummer 64, kein Bus in unser Ziel-Viertel.

Coach-Station: Fernreisebusse.

Nach etwas weiterer Metro-Suche (wir hatten noch nicht ganz aufgegeben), entdeckten wir dass es noch eine Bus-Station am Westplatz gab, die teilweise ausgeschildert war. Also durch den ganzen Bahnhof zum Westplatz, um vor verschlossenen Türen zu stehen: Der Westplatz war ebenfalls noch im Bau.

Auf den langen Fußmarsch (gut 10km) Richtung Innenstadt hatten wir auch noch nicht so recht Lust.

Nach etwas planlosem Herumlaufen sprach uns ein Chinese auf Englisch an, ob er und helfen könnte. Ich hab dann ein bisschen auf Englisch loserzählt wohin wir wollten, was wohl ein wenig zu schnell für ihn war. Wir zeigten ihn den Zettel mit unserer Zieladresse, er konnte nicht besonders viel damit anfangen, rief aber beim Hostel an, und schrieb dann die Adresse und die Haltestelle auf Chinesisch auf unser Papier. Sehr gut, das hätte uns eigentlich schon gereicht, um weiter vorwärts zu kommen! Er musste aber auch den Bus 64 nehmen, und führte uns zu zur Haltestelle, ich würde schätzen etwa 490 Meter weit (an irgendeiner Straße).

25 Stationen mussten wir fahren (er musste früher raus), also zählten wir fleißig runter. Ich hab mich mindestens fünfmal verzählt, Arne hat zum Glück etwas besser aufgepasst…

Busfahren in China ist witzig – nachdem wir eingestiegen sind, war der bis eigentlich schon voll. An praktisch jeder Haltestelle sind dann eigentlich noch mehr Menschen eingestiegen als ausgestiegen, was die Dichte im Bus aber gar nicht mehr groß beeinflusst hätte… Nach gut einer Stunde waren wir dann auch an unserer Haltestelle (vielleicht auch eine zu früh), und darüber auch extrem dankbar! Eine Stunde im extrem engen Bus stehen ist alles andere als eine Freude! Busfahrpläne lesen ist übrigens auch nicht ganz ohne…

Danach wieder unser altes Spiel, Orientierung mittels Karte, die aber leider den Namen unserer Zielstraße nicht enthielt. Die nächstbeste Passantin angesprochen, die zwar kein Englisch konnte, aber die Straße kannte! Mit Händen und Füßen wurde uns der Weg erklärt, dann kam noch ein Mann dazu, die beiden diskutierten, und uns wurde angedeutet dass wir doch einfach mitkommen sollten. Scheinbar gehörten die zwei zusammen. Also gefolgt, in die richtige Straße, das hätte uns mal wieder gereicht. Dort sind die zwei aber weiter mitgekommen, bis in den Innenhof der richtigen Hausnummer. Dort haben wir das Hostel nicht direkt erkannt, die Frau holte ihr Handy raus, und rief irgendwen an und drückte es mir in die Hand. Dort fragte eine Stimme nach dem Namen unseres Hostels – nach drei Versuchen hatte er es verstanden (oder vermutlich eher nicht) und bat mich, an seine Mutter zurückzugeben. Aha.
Dann entdeckten wir doch das vermeintliche Hostel, Arne ging zum prüfen hinein, ich kurz darauf hinterher, und unsere beiden Begleiter standen bei unserem Check-In-Versuch plötzlich auch wieder neben uns und redeten mit der Rezeptionistin. Vermutlich haben sie sich über die fehlende Wegbeschreibung auf Chinesisch beschwert, aber wer weiß das schon!

Gut, ein nicht ganz schlechter Start für Harbin, die Leute hier sind auf jeden Fall freundlich! Also ging es auf zur Erkundung der Stadt! Als Antwort auf meinen Fuyuan-Eintrag kann ich sagen:

Hier sind all die Chinesen! 

Und hier sind auch all die Autos für die breiten Straßen! 

Was mich als Autointeressierten verwundert hat (und mir auch schon in Fuyuan aufgefallen ist): Es sind fast keine chinesischen Autos hier zu sehen! japanische, koreanische, deutsche und französische gibt es zuhauf, aber maximal zwanzig Prozent sind chinesisch! 

Architektonisch ist Harbin wieder sehr interesant, eine wilde Mischung aus verschiedenen Stilen!

 

Für mich (aufgrund meiner Erlebnisse in Südostasien und Indien) mehr und Arne (der in Asien bisher nur in Beijing war) weniger überraschend, wurden wir teilweise angeschaut wie Popstars… Viele Chinesen starren, einige versuchen unauffällig zu fotografieren, und einige fragen auch direkt ob sie ein Foto machen dürfen. Das gipfelte am Abend darin, dass ich ein Video von einem Laden aufnehmen wollte, aus dem laut in einer Dauerschleife Modern Talking lief (sonst glaubt einem das ja niemand… Und das war bei weitem nicht das erste Mal auf dieser Reise, dass wir Dieter und Thomas ausgesetzt waren). Immer wenn der Refrain einsetzte, klammerte sich das nächste chinesische Teenie-Mädel an einen von uns, so dass ich den Video-Versuch abbrechen musste!

Harbin haben wir in den zwei Tagen (2. und 3. Oktober) hauptsächlich auf zwei Wege versucht kennenlernen: Durch Parks und kulinarisch! 

Ja, im Gegensatz zu Fuyuan gibt es auch Parks – aber mit einem etwas anderen Grundprinzip als in Deutschland! Während bei und das Hauptaugenmerk auf Bäumen, Grünflächen und dem ein oder anderen Biergarten liegen, geht es in Harbin eher um den generellen Entertainment-Faktor! Ich habe versucht das ganze möglichst in einem Foto komprimiert aufzunehmen:

Wer genau hinschaut, erkennt hinter dem Tretboot-Stau das Kinderkarussel. Falls keine so richtig tollen Attraktionen zur Verfügung stehen, ist man hier auch durchaus in der Lage zu improvisieren:

Wer sich dem Nervenkitzel gewachsen fühlt, darf auf Krankenrollstühlen in Schrittgeschwindigkeit herumfahren. Um Kontroversen zu vermeiden: Wie an den bunten Dächern zu erkennen ist, handelt es sich hier tatsächlich nur um gemietete Spaßgeräte!

Neben dem “Stalin Park“ (ja, wirklich) am Flussufer warten eine ganze Menge lustig aussehender Boote, bei denen wir uns über den Bestimmungsort nicht ganz sicher waren…

Nach kurzer Diskussion darüber, ob die verschieden betitelten Eingänge wohl zu verschiedenen Zielen führen würden, haben wir dann einfach zwei Tickets gekauft und sind losgefahren! Dabei gab es noch eine nette Aussicht auf einen kleinen Teil der Skyline! 

Das Ziel war dann der “Sun Island Park“ am anderen Flussufer. Hier gab es diverse mehr oder minder interessante Attraktionen wie zum Beispiel ein russisches Dorf (kennen wir zur Genüge) oder ein chinesisches… Fluss…burg…dorf…

Da diese aber alle extra Eintritt kosteten (und extrem kitschig sein sollen), haben wir uns den Spaß aber gespart. Weitere Highlights im Park waren ein paar sibirische Häuser, tatsächlich in einem unerwartet authentischen Bauzustand,

die Bierhalle, mit original deutschem Bier (wozu bin ich in China?),

der Anti-Japan-Erinnerungspark (der laut Infotafeln zur “patriotischen Bildung“ der Jugend beitragen soll)

und die zwei Langnasen:

Kommen wir zum Teil 2, dem kulinarischen Part! 
Dank Nationalfeiertagswoche (darauf schiebe ich es mal) gab es in der innerstädtischen Fußgängerzone diverse Essensstände, die allerlei Köstliches anboten! 

 

Da uns nicht so ganz recht nach Krebse-knacken war, entschieden wir uns für die panierte Überraschung am Stiel! 

Geschmacklich und von der Konsistenz deutete alles auf Krabben-Riesen-Fischstäbchen hin – vielleicht auch Krebs, womit wir uns das knacken erspart hätten! 

Der Begeisterung der einheimischen nach war das allerhöchste Geschmackserlebnis aber ein anderes: Eis am Stiel! Selfies mit oder Fotos vom Eis waren in unserer Umgebung sogar noch höher im Kurs als solche mit oder von uns! Davon angetrieben kauften wir uns auch welche, bis auf eine merkwürdige (hartkäseartige) Konsistenz konnten wir aber nichts besonderes feststellen! Zuerst dachte ich übrigens, das Eis gäbe es hier zu kaufen:

Das entpuppte sich aber leider als Polizeistation…

Eine weitere kulinarische Entdeckung waren würfelförmig aussehende Pfannkuchen:

Nachdem wir uns einen Tag lang (beim ersten Anblick waren wir schon zu sehr gesättigt) etwas Süßem entgegenfiebern, war der süße Würfel mit Kartoffelbrei gefüllt – nahrhaft und überraschend gleichermaßen!

Ein weiteres Merkmal dafür, dass westliche Ausländer hier nicht allzu oft unterwegs sind, haben wir beim Frühstück erlebt: Zur bestellten Nudel-Rindersuppe wurde uns eine Gabel gereicht… Der durchschnittliche chinesische Gast erhielt zu seinen Stäbchen einen Löffel, aber offensichtlich war die gute Frau darüber informiert wie sehr wir Gabeln lieben. Wir haben scheinbar aber beim überreichen irritiert genug geschaut und die Gabeln hartnäckig ignoriert, so dass wir zunächst die Stäbchen und nach einiger Zeit auch die Löffel bekamen.

Natürlich gab es auch endlich mal wieder ein Feierabend-Bier – weiterhin leicht unsicher über die lokale Gesetzeslage ein paar Meter abseits vom Haupttreiben! 

Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle auch unser Bad im Hostel: immerhin ein eigenes, aber für den gemeinen Westler etwas ungewohnt:

Nach zwei damit recht erholsamen Tagen fiebern wir jetzt Beijing entgegen, wo wir den Luxus von drei aufeinanderfolgenden Nächten im selben Hostel genießen werden! Für unsere Nomadenverhältnisse ist das eine ziemliche Entlastung, und der längste Aufenthalt an einem Ort!
Weniger fiebern wir der Zugfahrt nach Beijing entgegen! Z16 klingt zwar nach einer angenehm niedrigen Nummer, aber nach dem ersten Eindruck der chinesischen Bahn sind die Erwartungen nicht allzu hoch! Mit gerade einmal knapp über 10 Stunden wird dies aber auch die kürzeste unserer Zugfahrten – unsere Stimmung ist also weiterhin absolut entspannt! 

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