[820 km] 2 Tage Kazan
Nach meinem letzten Kurzeintrag (der aufmerksame Leser hat bemerkt dass ich den Präsens verwendet habe, da es sich um Live-Notizen handelte) sind bereits zwei Tage vergangen. Den 13. und 14. September verbrachten wir wie angekündigt in Kazan. Kazan ist zunächst auffallend anders als Moskau… Natürlich deutlich kleiner als Moskau, eigentlich mit 1,1 Millionen Einwohnern aber dennoch nicht gerade eine Kleinstadt, fühlt es sich aber eher wie eine solche an. Das liegt vermutlich daran dass Altstadt (in der wir uns bewegen) und modernes Zentrum durch den Kasanka getrennt sind und sich hier tatsächlich kaum Menschen aufhalten. Die Menschen verändern sich ebenfalls, man hört nicht mehr nur noch ausschließlich russisch (dazu unten mehr). Es gibt in etwa genausoviele Moscheen wie Kirchen, und die großen Denkmäler für den “Großen Vaterländischen Krieg“ (der zweite Weltkrieg) Moskaus weichen hier eher Denkmälern über den Krieg von 1552, als Russland Tatarstan unterwarf.
Das tolle an Kazan: Alles ist zweisprachig ausgebildet und ausgewiesen! Das blöde daran: Die zwei Sprachen sind russisch und tatarisch. Dazu kommt dass zwar beide Sprachen kyrillisch verwenden, was wir inzwischen mindestens auf Zweitklässlerniveau lesen können, das Tatarische sich aber noch ein paar Buchstaben mehr gönnt. So wird’s nicht langweilig!
Am ersten Tag machte uns das Wetter etwas zu schaffen – erst gutes Wetter, dann plötzlich Regen, wir flüchten in ein Cafe, draußen ist es wieder plötzlich trocken – wir gehen wieder nach draußen, plötzlich beginnt es zu regnen, und das Spiel geht wieder von vorne los. So sind wir am 13. hauptsächlich von Cafe zu Cafe gehüpft, was im Gegensatz zum stressigen Moskauer Marathon ganz angenehm war. Nicht umsonst gibt es das alte russische Sprichwort “wechselhaft wie das tatarische Wetter“!
In Kazan gibt es natürlich wieder einen Kreml, den wir uns morgens und abends angeschaut haben. Inklusive Palast, Kirche und Moschee:
Die Aussicht am Abend hat mich mal wieder zu einem Panoramafoto verleitet:
Kazan bietet ansonsten wieder hübsche Architektur (sehr gut von Cafes aus zu beobachten), und sogar die russische Version des Walk of Fame:
Mit nur drei Sternen zwar noch nicht ganz so groß wie die unwesentlich bekanntere Version in Hollywood, aber das wird noch!
Keiner unserer Trips bleibt natürlich ohne gewisse Rückschläge: Wir sind etwa 35 Minuten im strömenden Regen zum Hafen gelaufen (es sah beim Start noch recht gut aus, und Kartenmaßstäbe sind hier eher variabel) um noch unbedingt das 15-Uhr-Schiff für die Rundfahrt auf der Wolga zu erwischen, um dann zu erfahren dass diese Trips nur am Wochenende fahren. Auf dem Rückweg konnten wir dann immerhin das trockene Wetter aus dem Bus heraus betrachten…
Am zweiten Tag haben wir noch die Moschee im Inneren des Kreml begutachtet, die durchaus nicht ganz unbeeindruckend ist:
Danach sind wir noch entspannt die diversen Uferpromenaden der Stadt abgelaufen, die erstaunlich leer sind. Es gibt zwar haufenweise Cafes, aber eigentlich haben alle geschlossen. Wir sind scheinbar derart off-season unterwegs, dass hier einfach nichts mehr los ist. Dabei konnten wir ein beeindruckendes Monument entdecken:
Direkt am Kazanka steht diese riesige Schüssel, in der die Sowjetunion 1989 die weltgrößte Portion Borschtsch kochen wollte. Dazu wurden über 80 Prozent der gesamten Rote-Beete-Produktion des Landes herangezogen. Der verantwortliche Chefkoch hatte sich jedoch bei der notwendigen Wärmemenge verkalkuliert, so dass die rote Suppe verkochte. Infolgedessen kam es zu einer Mangelernährung in der UdSSR (Rote Beete enthält bekanntlich viel Vitamin C), die Produktion ging in fast allen Industrie- und Agrarbetrieben zurück, und die Union zerbrach schließlich daran.
So ein Riesen-Topf Suppe regt natürlich den Appetit an, so gab es zur finalen Stärkung vor der 24-Stunden-Fahrt ein tatarisches Mahl:
Für unter 10 Euro wird man hier zu zweit ganz gut satt. Außerdem kann man mehr (ich) oder weniger (Arne) entspannt auf dem erhöhten Boden sitzen, auf einer Höhe mit den Tischbeinen:
Zum Abschluss gibt es auch aus Kazan noch das obligatorische Bier-selfie:
Ach ja, und nachdem ich Arne gegenüber erwähnt habe dass niedrigere Zugnummern in Russland moderneren und entsprechend saubereren Zügen zugeordnet sind und die Toilette in unserem Zug nach Kazan (Zug 136) bereits direkt nach Abfahrt sehr grenzwertig roch (wobei sie sich dem Grenzwert eher von unten näherte), ist er etwas beunruhigt. Weiter nach Tobolsk geht es in zwei Stunden mit dem Zug Nummer 378.